Fr, 08.11.2019
Zwangsversteigerung: Immobilien zum Sonderpreis – so gelingt’s

Die Immobilienpreise klettern in die Höhe. Für manche zu hoch. Da liegt die Überlegung nahe, bei einer Zwangsversteigerung zuzuschlagen. Das kann sich lohnen. Doch neben Schnäppchen lauern auch mehrere Fallstricke.

Eine Zwangsversteigerung kann viele Gründe haben: eine finanzielle Notlage, eine gescheiterte Ehe, Streitigkeiten unter Erben – als Beispiele. Allen gemein ist jedoch der Abschied vom Eigenheim und zumeist auch dem Traum von Glück. Denn der Verkauf einer Immobilie oder eines Grundstücks erfolgt in der Regel unfreiwillig – aus Zeit- oder Geldgründen. Da liegt der Schluss nahe, dass Käufer bei einer Zwangsversteigerung ein Schnäppchen machen können.

Allerdings landen die von einer Zwangsvollstreckung bedrohten Immobilien gerade in Zeiten niedriger Zinsen immer seltener unter dem Hammer. Zumeist wird versucht, das Haus, die Wohnung oder das Grundstück auf dem regulären Markt zu verkaufen.

Zwangsversteigerung: Bei einer Zwangsversteigerung wird eine schuldenbelastete Immobilie an den Meistbietenden verkauft. Und das nicht selten zu Preisen deutlich unter dem Verkehrswert. Wer jedoch die Tücken nicht kennt, zahlt bei der Zwangsversteigerung entweder zu viel oder erwirbt eine Schrottimmobilie.

Zwangsversteigerungen: Termine und Informationen
Die Termine und Objekte von Zwangsversteigerungen werden vom jeweiligen Amtsgericht mit einem Vorlauf von sechs Wochen veröffentlicht. Die Rechtspfleger stellen die verfügbaren Informationen über die Objekte zusammen. Wer überregional nach Zwangsversteigerungen suchen möchte, kann sich auf der Internetseite www.zvg.com über anstehende Zwangsversteigerungen in ganz Deutschland informieren.

In der Regel werden folgende Informationen veröffentlicht:
Lage des Grundstücks
Größe der Immobilie
Gerichtlich festgelegter Verkehrswert
Gegebenenfalls Außenaufnahmen

Falls bekannt zusätzlich unter anderem:
Belastungen im Grundbuch
Bestehende Mietverhältnisse

Die gesetzlichen Grundlagen sind im „Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung“ (ZVG) festgelegt. Im Übrigen darf eine Zwangsversteigerung nur angeordnet werden, wenn der Schuldner als Eigentümer der Immobilie im Grundbuch eingetragen ist oder Erbe eines eingetragenen Eigentümers ist.

Einstiegsgebot: Verkehrswert der Immobilie
Das Einstiegsgebot bei einer Zwangsversteigerung orientiert sich in der Regel am Verkehrswert des betreffenden Gebäudes. Nicht selten liegen die Höchstgebote bei einer Zwangsversteigerung jedoch weit unter dem veranschlagten Verkehrswert. Es kommt durchaus vor, dass Gebote von 30 Prozent unter dem angesetzten Preis den Zuschlag bekommen. Liegt das Höchstgebot allerdings unter 70 Prozent des ausgerufenen Verkehrswerts, müssen die Gläubiger dieses nicht akzeptieren. Sie können in diesem Fall eine neue Bieterrunde an einem anderen Termin veranlassen. Wer die Immobilie unbedingt will, sollte mindestens 70 Prozent des Verkehrswertes bieten.

Verkehrswert: Der Verkehrswert einer Immobilie entspricht dem aktuellen Marktwert zu einem bestimmten Stichtag. Gesetzliche Grundlage ist die Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV). Behördlich oder gerichtlich in Auftrag gegebene Gutachten dürfen nur öffentlich bestellte Sachverständige erstellen.

Gekauft wie gesehen: Das Problem mit den Informationen
Die Größe, Lage und Verkehrswertermittlung gehören zu den Mindestangaben, die vor einer Zwangsversteigerung veröffentlicht werden – also bekannt sind. Viele weitere Informationen müssen sich die Interessenten selber besorgen. Und das ist nicht einfach. Denn: Kaufinteressenten haben keinen Rechtsanspruch darauf, die Immobilie auch besichtigen zu dürfen. Verborgene Schäden können so nach dem Erwerb der Immobilie zu hohen Folgekosten führen.

Erlaubt der Besitzer keine Innenbesichtigung sollten Interessierte dennoch so viele Details zur Immobilie wie möglich recherchieren. So können wertvolle Informationen zum Zustand der Immobilie und den Gegebenheiten vor Ort zusammengetragen werden.

Das sollten Kaufinteressenten vor einer Zwangsversteigerung tun:
Gerichtliches Gutachten über die Immobilie einholen
Außenbesichtigung vornehmen
Innenbesichtigung wenn möglich
Grundbuchauszug einsehen
Gespräch mit den Nachbarn
Gespräch mit der Gläubigerbank

Zur Auswertung der Informationen ist es angeraten, einen Architekten oder Bausachverständigen hinzuzuziehen. Zum Beispiel kann der Zustand von Fassaden, Dachflächen und Fenstern Rückschlüsse auf den Bestand im Inneren geben. Die Experten entdecken Schäden und Schwachstellen, die Laien häufig verborgen bleiben und können Sanierungskosten realistischer einschätzen.

Wichtig: Der Bietende hat von Rechts wegen keinen Anspruch darauf, das Objekt vor dem Versteigerungstermin zu besichtigen. Sowohl Gutachter als auch Schuldner können zumeist nicht für eventuelle Schäden haftbar gemacht werden.

Grundbucheintrag: Belastungen der Immobilie
Wichtig ist auch zu prüfen, ob das Haus durch Kredite oder anderweitig belastet ist. Denn: Bleibt nach der Versteigerung eine Grundschuld oder Hypothek bestehen, muss der Meistbietende dafür aufkommen – zusätzlich zum Zuschlagspreis. Womöglich halten auch Dritte noch ein Wohnrecht an der Immobilie oder ein Wegerecht am Grundstück, die der neue Besitzer mit dem Kauf übernimmt. Bei Eigentumswohnungen gibt es zusätzliche Dinge zu beachten – zum Beispiel, wenn sie Teil einer Wohneigentümergemeinschaft (WEG) sind. Inwieweit die Immobilie belastet ist oder besondere Pflichten bestehen, erfragt man am besten beim Rechtspfleger des Amtsgerichts.

Finanzierung: Jedes Gebot ist bindend
Vor der Abgabe eines Gebots muss die Finanzierung auf sicheren Füßen stehen. Denn ein einmal abgegebenes Gebot kann in der Regel nicht zurückgenommen werden. Um überhaupt mitbieten zu dürfen, müssen die Bieter zudem eine Sicherheit von zehn Prozent des Verkehrswertes – zum Beispiel in Form einer Bankbürgschaft – bei der Gerichtskasse hinterlegen.

Bieter, die den Zuschlag erhalten, müssen innerhalb von vier bis acht Wochen den Preis, der bei der Versteigerung erzielt wurde, an die Gerichtskasse überweisen. Ausschlaggebend ist der Verteilungstermin des Ersteigerungsobjektes an den Neueigentümer. Aus diesem Grund ist es ratsam, bereits im Vorfeld eine Bankzusage über die gesamte Darlehenshöhe des geplanten Maximalgebotes einzuholen.

Zusätzliche Kosten: Nebenkosten nicht vergessen
Zusätzlich zur Höhe des Gebots müssen die Nebenkosten in die Finanzierung einplant werden. Zum einen muss der erfolgreiche Bieter die Gerichtskosten für die Erteilung des Zuschlags zahlen. Zum anderen kommen die auch sonst üblichen Nebenkosten bei einem Hauserwerb hinzu. Dazu zählen unter anderem die Kosten für den Grundbucheintrag und die Grunderwerbsteuer. Notargebühren fallen bei einer Zwangsversteigerung nicht an, da das Amtsgericht die Formalitäten der Eigentumsübertragung übernimmt – entsprechende Kosten sind an die Gerichtskasse zu zahlen. Insgesamt können je nach Bundesland können so noch einmal rund zehn Prozent zum Kaufpreis hinzukommen.

Ablauf einer Zwangsversteigerung
Es gibt einige wichtige Regeln bei einer Zwangsversteigerung, die für Immobilien als auch für mobile Gegenstände gelten. Erst einmal heißt es: Ruhe bewahren und sich nicht mitreißen zu lassen. Noch wichtiger ist, nicht über das eigene geplante Maximalgebot zu gehen. Die Möglichkeit der Finanzierung sollte hier das ultimative Limit sein.

Und dann ist es oft auch schon vorbei. Meist dauert eine Zwangsversteigerung einer Immobilie oder eines Grundstücks nicht länger als die Mindestzeit von einer halben Stunde. Festgelegte Bieterschritte gibt es nicht. Man kann also in „krummen Summen“ bieten und Gebote beliebig erhöhen.

Bewegliche Sachen: Automobile, Handys, Musikgegenstände und vieles mehr werden vom Zoll, der Polizei oder vom Gerichtsvollzieher versteigert. In einigen Fällen bieten auch Behörden eigene Einrichtungs- oder Gebrauchsgegenstände an. Offizielle überregionale Auktionshäuser sind: www.zoll-auktion.de und www.justiz-auktion.de.

Nach dem Zuschlag gehen Rechte und Pflichten über
Das höchste Gebot erhält den Zuschlag. Der Meistbietende ist damit bereits Eigentümer der Immobilie – nicht erst mit dem Grundbucheintrag. Das bedeutet aber auch, dass damit alle Rechte und die Pflichten an den neuen Eigentümer übergehen. So muss das Haus zum Beispiel neu versichert werden. Mit dem Zuschlag erhalten die neuen Besitzer zugleich einen sogenannten Räumungstitel, mit dem er die sofortige Räumung beziehungsweise auch Zwangsräumung der Immobilie veranlassen kann.

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Dies geht allerdings nur, wenn der vorherige Eigentümer die Immobilie auch selber bewohnt. Ist das Haus vermietet, genießen die Bewohner Mieterschutz. Mit seinem Höchstgebot übernimmt der neue Eigentümer automatisch sämtliche Vermieterpflichten, die sich aus bestehenden Mietverträgen ableiten. Das Zwangsversteigerungsgesetz gewährt dem neuen Eigentümer aber ein Sonderkündigungsrecht (§ 57a ZVG) mit einer gesetzlichen Frist von drei Monaten zum nächstzulässigen Termin. Hier muss der Neueigentümer jedoch ein berechtigtes Interesse – zum Beispiel Eigenbedarf – bekunden.

Quelle: t-online.de