In weiten Teilen Deutschlands ist es eher von Vorteil, eine Immobilie zu kaufen, als sie zu mieten. Doch in einigen Metropolen dreht sich das Bild allmählich.
Erfurt. Die Kaufpreise für Immobilien laufen seit Jahren nach oben. Ein Ende ist nicht in Sicht. Viele Kaufinteressenten fragen sich, ob es sich nach Jahren des Immobilienbooms jetzt noch lohnt einzusteigen. Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) will darauf eine klare Antwort gefunden haben: In 94 Prozent der deutschen Landkreise lohne sich Kaufen mehr als Mieten.
Das sind gute Nachrichten für Häuslebauer. Die schlechte: Eine Immobilie kann sich nicht jeder leisten. Trotz rekordgünstiger Finanzierungsbedingungen sinken die Zahlen der Ersterwerber. Das ist kein gutes Omen für die Altersvorsorge. Und in den Metropolen, wo die Immobilienpreise heute schon am höchsten sind, wird Kaufen unattraktiver.
Wohnimmobilien haben sich nach der Finanzkrise stark verteuert. Als eine der Hauptursachen gilt die Niedrigzinspolitik. Weil Anleger weder auf Sparguthaben noch auf sichere Staatsanleihen einträgliche Zinsen erhalten, legen immer mehr Menschen ihr Geld in Sachwerten wie Immobilien an. Stark steigende Preise sind bis heute die Folge. Allein in den sieben größten Städten Deutschlands haben sich Eigentumswohnungen zwischen 2010 und 2018 um knapp 90 Prozent verteuert. Neuvertragsmieten sind weniger schnell gestiegen, nur um 60 Prozent.
Daraus den Schluss zu ziehen, dass Mieten günstiger als Kaufen sei, halten Michael Voigtländer und Jacopo Mingazzini aber für vorschnell. Voigtländer ist Immobilienökonom am IW und hat für Mingazzini, den Chef des Wohnungshändlers Accentro, einen Wohnkostenreport erstellt. Fazit: Im Durchschnitt sei Kaufen im Vergleich zu Mieten um 40 Prozent vorteilhafter. „Es lohnt sich immer noch, in den Wohnungsmarkt einzusteigen“, sagt Voigtländer.
Untersucht wurden in der Studie die 401 Landkreise und kreisfreien Städte Deutschlands. Zugrunde gelegt wurden Transaktionsdaten aus der Datenbank von vdp Research. Mithilfe des Wohnnutzerkostenansatzes hat Voigtländer die Mietkosten pro Quadratmeter mit den Kosten von selbst genutztem Wohneigentum verglichen. In die Berechnung flossen die Kaufnebenkosten ebenso ein wie Abschreibungen, Kosten für Instandhaltungsmaßnahmen oder künftig erwartete Preissteigerungen. Nicht berücksichtigt wurde die Tilgung des Darlehens, da sie Eigentumsbildung darstellt.
Nur in 26 Kreisen sei Mieten vorteilhafter als Kaufen. Nirgends wird dies klarer als in Hagen. Hier wohnen Mieter 38 Prozent günstiger als Eigentümer. Am größten sei der Kaufvorteil mit 69 Prozent in Sömmerda, einer Kleinstadt nördlich von Erfurt.
Doch auch für die Großstädte, dort, wo die Preise in den vergangenen Jahren besonders stark stiegen, weist die Studie einen hohen Kaufvorteil auf: Die Spanne reicht von 27 Prozent in Berlin bis 54 Prozent in Köln. Allerdings gilt das nur, wenn man den Kauf aktuell mit einer Neuvertragsmiete vergleicht, wenn also ein Umzug unterstellt wird.
Mit Blick auf die Bestandsmieten revidiert sich für manche Städte das Bild: Wer in seiner Wohnung bleiben kann, der wohnt in Berlin 21 Prozent günstiger. In Hamburg sind es gut zehn Prozent und in München immer noch drei Prozent.
Die Vorteilhaftigkeit des Kaufens könnte in den kommenden Jahren weiter schrumpfen: Im historischen Vergleich sind die Finanzierungsbedingungen zwar immer noch günstig. Zuletzt aber zogen die Kosten leicht an. In Kombination mit den stark gestiegenen Preisen führt das letztlich dazu, „dass zumindest am aktuellen Rand die Wohnnutzerkosten ihren Tiefststand überschritten haben“, wie es in der Studie heißt. Der Theorie des Wohnnutzerkostenansatzes liege zugrunde, dass sich Kaufen und Mieten langfristig ausgleichen, erklärt Voigtländer. In der aktuellen Situation müssten also entweder die Mieten fallen oder die Kaufpreise weiter stark steigen.
Letzteres unterstellt die Studie für die Großstädte: In Berlin rechnet das IW mit einer jährlichen Preissteigerung von drei Prozent. Im Vergleich über mehrere Jahrzehnte ist der Wert sehr hoch. Voigtländer betont jedoch, dies sei noch sehr konservativ gerechnet. Ausgehend von den Preissteigerungen der vergangenen Jahre könnte der Wert auch bei sieben Prozent liegen.
Auch steigende Zinsen könnten die Vorteilhaftigkeit zugunsten des Mietens drehen. Doch mit deutlichen Zinsschritten nach oben rechnet aktuell kaum jemand. Die Grundlage dafür, dass Kaufen zuletzt deutlich vorteilhafter wurde, dürfe weiter bestehen bleiben.
Weniger Neu-Eigentümer
Das Problem: Kaum Menschen nutzen diesen Vorteil. Laut jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes stagnierte die Wohneigentümerquote in den vergangenen zehn Jahren bei 48 Prozent. Alarmieren wird all jene, die Wohneigentum als Grundpfeiler der Altersvorsorge sehen, jedoch die Statistik der Ersterwerber: Gab es zur Jahrtausendwende jährlich noch mehr als 700.000 Mieter, die zu Eigentümern wurden, waren es zuletzt nur knapp über 400.000. Außerdem werden Ersterwerber immer älter. Im städtischen Raum seien sie im Durchschnitt 48 Jahre alt. „Das geht weit über die typische Familienklientel hinaus“, sagt Voigtländer.
Außerdem zeige sich deutlich, dass die Durchschnittseinkommen dieser Gruppe der Hauskäufer steigen. „Das heißt auch, dass Haushalte mit niedrigerem Einkommen kaum mehr Chancen haben, in den Immobilienmarkt reinzukommen“, sagt Voigtländer. Denn mit den Kaufpreisen steigen auch die von ihnen abhängigen Eigenkapitalforderungen der Banken und die Kaufnebenkosten für Makler, Grunderwerbsteuer und Notar.
Mingazzini macht die Entwicklung an einem Beispiel fest: Für eine Berliner Wohnung, die 2007 noch 90.000 Euro kostete, würden heute schon 270.000 fällig. Der geforderte Eigenkapitalanteil ist damit von rund 20.000 auf 60.000 Euro gestiegen.
Die Folgen: „Die Chancen am Immobilienmarkt hängen zunehmend davon ab, ob Eltern schon Eigentum besitzen“, sagt Voigtländer. „Wir stehen vor einem gesellschaftlichen Problem.“ Immer häufiger komme es beim Hauskauf auf eine Erbschaft an oder darauf, dass Eltern ihre selbst genutzten Immobilien als Sicherheit beleihen können. Um Käufer zu entlasten, regt der Immobilienökonom die Verlagerung der Maklerkosten auf den Verkäufer, niedrigere Grunderwerbsteuern und Staatsbürgschaften für Menschen mit niedrigem Eigenkapital an.
Quelle: Handelsblatt