Mo, 01.04.2019
So wirksam ist die Mietpreisbremse in Ihrem Bundesland

In vielen Städten explodieren die Wohnkosten. Die Mietpreisbremse sollte das verhindern. Doch manche Landesregierung hat bei der Umsetzung geschlampt. Ein Urteil aus Hessen zeigt, dass die Regeln anfechtbar sind. Was nun gilt – und wo.

Eigentlich sollte das „Gesetz zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten“ schnell steigende Mieten für Neuverträge dämpfen. Wenn Vermieter einen Vertrag mit einem neuen Mieter abschließen, so die Idee, sollten sie nur in einem gewissen Rahmen die Miete erhöhen dürfen – für einen bestimmten Zeitraum, bis sich die Märkte wieder etwas beruhigt haben und das Verhältnis aus Angebot und Nachfrage ausgeglichener ist. Doch die eigentlich einfache „Mietpreisbremse“ ist ein typisch deutsches Modell.

Erst wurden politische Kompromisse zwischen Union und SPD gemacht, die das Regelwerk mit zahlreichen Ausnahmen versahen. Dann ging die Umsetzung in die Zuständigkeit der Bundesländer über, die ihrerseits Verordnungen erlassen und Gemeinden festlegen mussten, in denen die Preisbremse gelten sollte. Dabei wurden viele Fehler gemacht.

„Es gibt Länder, in denen es keine Mietpreisbremsenverordnung gibt“, sagt Ulrich Ropertz, Sprecher des Deutschen Mieterbundes (DMB). „Und es gibt Länder, in denen es eine Mietpreisbremsenverordnung gibt, die aber von den Gerichten als unwirksam eingestuft wurde. Hier gibt es dann wieder Länder, die zwischenzeitlich eine neue Verordnung erlassen haben, zum Beispiel Hamburg, und es gibt Länder, die diesen Schritt noch prüfen beziehungsweise vorbereiten.“

Und seit Neuestem gebe es auch Länder, die die Mietpreisbremsenverordnung wieder abschaffen wollen, wie Schleswig-Holstein oder Nordrhein-Westfalen. „Dies alles führt natürlich zu Rechtsunsicherheiten und Rechtsunklarheiten“, so Ropertz. Aus Sicht des DMB wäre es besser gewesen, die Preisbremse einfach bundesweit einzuführen. Stattdessen gibt es einen Flickenteppich mit vielen Lücken.

Bei Vorlage des Mietvertrags: Vermieter müssen informieren
Was müssen Vermieter und Mieter nun beachten? Zunächst sollten sie die neuen Regeln kennen, die seit dem 1. Januar 2019 gelten. Mietpreisbremse heißt grundsätzlich: Die Miete für einen neuen Mietvertrag darf höchsten zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen.

Neuerdings müssen Vermieter vor Abschluss des Mietvertrages unaufgefordert und schriftlich darüber informieren, ob eine Ausnahme von der Mietpreisbremse vorliegt, die eine höhere Miete rechtfertigt. Unterlässt ein Vermieter diese Auskunft, kann er diese nachholen. „Allerdings kann er sich dann erst zwei Jahre später auf die Ausnahme berufen und eine höhere Miete geltend machen“, informiert das Bundesjustizministerium.

Die erlaubten Ausnahmen gibt es in drei Fällen. Erstens: wenn vor der Neuvermietung eine „umfassende Sanierung“ stattgefunden hat. Zweitens: wenn der Vermieter schon zuvor eine Miete oberhalb der Preisschwelle verlangt hat – dafür gilt ein Bestandsschutz. Drittens: Wenn es sich um einen nach September 2014 errichteten Neubau handelt.

Mieter können durchaus erst den Vertrag unterzeichnen und später dann zu viel gezahlte Miete zurückverlangen. Dafür genügt eine einfache schriftliche Rüge, also etwa der Satz „Ich rüge die Höhe der Miete“. Der Mieter muss nicht darlegen, warum die verlangte Miete seines Erachtens nach zu hoch ist.

Zu viel gezahlte Miete bekommen sie dann ab Zeitpunkt der Rüge zurück. Stellt sich der Vermieter allerdings stur und reagiert nicht, bleibt nur der Rechtsweg. Das sind die Regeln. Allerdings sind sie in manchen Bundesländern gar nicht mehr in Kraft. Ein Überblick.

Die Mietpreisbremse in Hessen
Welche Folgen die Sache mit den Länderverordnungen haben kann, zeigt ein Urteil, das das Landgericht Frankfurt am Montag gefällt hat. Die hessische Landesregierung hatte vor Jahren eine Preisbremsen-Verordnung für 16 Gemeinden erlassen, dabei jedoch vergessen, eine Begründung mitzuliefern. Das Landgericht Frankfurt kippt am 28.03.2018 die gesamte Regelung für Hessen.

Das Inkassounternehmen Lexfox aus Berlin, Betreiber des Portals wenigermiete.de, reichte im Auftrag von Mietern eine Schadenersatzklage ein und forderte vom Land eine Entschädigung der Mieter, die eine zu hohe Miete nur deshalb zahlen müssen, weil die Regierung geschlampt hat. Die Betroffenen müssen aktuell 11,50 Euro Nettokaltmiete überweisen, obwohl die ortsübliche Vergleichsmiete bei nur 7,45 Euro liegt. Doch das Frankfurter Landgericht sah keinen Anlass für Schadenersatz. Der Gesetzgeber hafte nicht gegenüber einzelnen Bürgern, lautet das Argument.

„Wir behalten uns eine Berufung beim Oberlandesgericht vor“, sagte daraufhin Daniel Halmer, Gründer und Geschäftsführer der Lexfox GmbH. „Wir wurden von Hunderten Mietern in Hessen beauftragt, die Mietpreisbremse für sie durchzusetzen und für alle diese Mieter können wir derzeit rechtlich nicht vorgehen.“

Notfalls werde man bis zur letzten Instanz gehen. Bis dahin gilt: keine Mietpreisbremse, kein Schadenersatz. Wiesbaden arbeitet an einer neuen Verordnung. Doch „eine neue Verordnung würde nur für Mietverträge gelten, die nach dem Erlass einer solchen Neuverordnung geschlossen werden“, kritisiert Daniel Halmer. „Das kann noch Monate dauern.“

Bayern erarbeitet neue Verordnung
Auch in München arbeitet die Staatsregierung an einer Neuauflage der 2017 von der Justiz gekippten Verordnung zur Mietpreisbremse in Bayern. Die neue Mieterschutzverordnung solle möglichst noch im Sommer verabschiedet werden, teilte die Staatskanzlei vergangene Woche mit.

„Diese Verordnung wird nun auf Basis einer breiten Datengrundlage neu erlassen, um die Mietpreisbremse in Bayern langfristig auf eine rechtssichere Grundlage zu stellen“, hieß es. Bayern hatte als zweites Bundesland im Jahr 2015, kurz nach Berlin, die Mietpreisbremse eingeführt und später die Liste der betreffenden Gemeinden auf 137 verkürzt.

Baden-Württemberg: Freie Bahn für Vermieter
Auch hier gab es erst vor Kurzem schlechte Nachrichten für Mieter: Das Landgericht in Stuttgart erklärte am 13. März 2019 die Verordnung wegen fehlender Veröffentlichung der Begründung für ungültig. Die Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau, Nicole Hoffmeister-Kraut, verspricht: „Wir werden vorzeitig eine neue Landesverordnung zur Mietpreisbremse erlassen.“ Bis dahin haben Vermieter in den 68 Städten und Gemeinden mit Mietpreisbremse freie Bahn.

Brandenburg, Hamburg und Berlin
Vor allem in Potsdam ist der Wohnungsmarkt angespannt, und auch dort versäumte es die Landesregierung, eine Begründung für die Mietpreisbremse-Verordnung mitzuliefern. Am 27. September 2018 stoppte auch dort das Landgericht die Mietpreisbremse. Ob an einer neuen Verordnung gearbeitet wird, ist nicht bekannt.

In Hamburg kippte das Landgericht mangels Begründung die Verordnung am 14. Juni 2018. Der Senat reagierte schnell und lieferte am 3. Juli 2018 nach, seitdem gilt in Hamburg die Mietpreisbremse.

Häufig für ihre Arbeit kritisiert, lieferte die Berliner Verwaltung bereits im Mai 2015 als eine der wenigen eine gültige Begründung zur Mietpreisbremse-Verordnung. Trotzdem ist sie zurzeit rechtlich nicht leicht durchzusetzen, da in Berlin eine Verfassungsbeschwerde anhängig ist und Richter auf eine Grundsatzklärung warten.

Nordrhein-Westfalen und Schleswig Holstein
In beiden Bundesländern wollen die Landesregierungen die Mietpreisbremse abschaffen beziehungsweise die entsprechenden Verordnungen auslaufen lassen. In NRW gilt die Preisbremse in 22 Kommunen.

Bremen, Thüringen, Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen
Hier ist die Mietpreisbremse gültig, und die Verordnungen sind offenbar ohne rechtliche Beanstandungen erfolgt. In Thüringen gilt die Preisbremse in Erfurt und Jena, in Rheinland-Pfalz in Mainz, Trier und Landau. In Rostock und Greifwald gilt die Begrenzung erst seit dem 1. Oktober 2018. Niedersachsen setzte die Verordnung für 19 Städte und Gemeinden in Kraft.

Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt
Alle Länder, die mit „Sa“ anfangen, haben offensichtlich keine Probleme mit stark steigenden Mieten. Hier sahen die Landesregierungen keine Notwendigkeit, die Preisbremse umzusetzen.

Quelle: Welt