Sa, 12.11.2022
Rezession im Anmarsch: Absturz der Immobilienwerte unvermeidlich

Europa wird noch vor Ende 2022 in eine Rezession rutschen. Davon geht die Mehrheit der führenden Branchenvertreter in einer Trendumfrage von Urban Land Institute (ULI) und PwC aus. Investoren müssen sich auf fallende Immobilienwerte einstellen, vor allem in Deutschland.

Rund zwei Drittel (71 Prozent) der führenden Vertreter des Immobiliensektors in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden und Spanien rechnen damit, dass Europa noch vor Jahresende 2022 in eine Rezession rutschen wird – ein Rückgang der Immobilienwerte gilt unter den Experten als unvermeidlich, so die Prognosen. Darauf müssen sich auch Investoren hierzulande einstellen. Das sind Ergebnisse aus dem mittlerweile 20. Trendreport der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC und dem Urban Land Institute (ULI).

Inflation: Noch größte Herausforderung am Immobilienmarkt

Als derzeit größte Herausforderung für den Immobiliensektor wurde die Inflation genannt (91 Prozent), gefolgt vom Zinsanstieg (89 Prozent) und dem schwachen Wirtschaftswachstum in Europa (88 Prozent). Auf mittelfristige Sicht erwarten nur rund jeder zehnte (13 Prozent) Experte, dass die Inflation in fünf Jahren noch ein Problem darstellen wird. Beim Zinsniveau (73 Prozent) und der wirtschaftlichen Situation (76 Prozent) ist die Branche skeptischer.
Konkret die Immobilienwirtschaft betreffend bereiten vor allem die stark gestiegenen Baukosten (92 Prozent) und die Verfügbarkeit von Ressourcen (84 Prozent) den Umfrageteilnehmern Sorgen – auch längerfristig: Rund drei Viertel der Befragten stellen sich darauf ein, dass die Kosten und die Ressourcenprobleme die Branche noch drei bis fünf Jahre beschäftigen wird.

Rezession: Deutschland muss sich auf den Abschwung einstellen

Eine Mehrheit (71 Prozent) der befragten Marktführer erwartet, dass Europa in den kommenden Wochen in eine Rezession abrutschen wird – mit negativen Folgen für Projektentwicklungen, Immobilienfinanzierungen, Investments, Mieten und Immobilienwerte.

Deutschland, Großbritannien und die Niederlande dürften demnach dem Abschwung kaum entgehen können, während Frankreich hauptsächlich aufgrund seiner Art der Energiebeschaffung besser gewappnet scheint. Eine Rezession vor 2023 halten 83 Prozent der Befragten in Deutschland für wahrscheinlich, in Großbritannien sind es 82 Prozent, in den Niederlanden 79 und in Spanien 68 Prozent. In Frankreich zeigt man sich optimistischer (45 Prozent).

Immobilienwerte fallen, Investmentchancen steigen

Das Vertrauen in die Verfügbarkeit von Fremd- und Eigenkapital zu Finanzierungszwecken ist laut der aktuellen PwC-ULI-Umfrage so gering wie seit 2012 respektive 2009 nicht mehr. Nach Ansicht der befragten Marktführer dürften die internationalen Kapitalströme nach Europa abnehmen.

Am negativsten werden die Aussichten für Fremd- und Eigenkapital zur Finanzierung von Immobilienprojekten eingeschätzt: 70 Prozent beziehungsweise 63 Prozent erwarten hier einen Rückgang. Auch die Beschaffung von Fremdkapital zur Refinanzierung oder Realisierung von Neuinvestitionen (64 Prozent rechnen mit einem Rückgang) wird kritisch beurteilt.

Die für 2023 erwarteten sinkenden Immobilienwerte könnten gute Kaufgelegenheiten für Core-Investoren und reine Eigenkapitalgeber ergeben, heißt es in der Studie.

Bei Verkaufszwang sinken die Immobilienpreise

Die Befragten sind sich einig, dass die aktuellen Spannungen am Markt nicht annähernd die Ausmaße wie bei der globalen Finanzkrise erreichen werden, trotz gravierender Auswirkungen von Zinsanstieg & Co.: Beispielsweise wegen der Notwendigkeit, bei fallenden Immobilienwerten die Verletzung von Kreditauflagen beheben zu müssen oder wegen deutlich höherer Refinanzierungskosten bis hin zu potenziell notwendigen Immobilienverkäufen.

Sollten sich Banken zu schnelleren Verkäufen veranlassen sehen – bestärkt durch die Slotting-Regelung der Bank of England und die Basel-III-Vorschriften in Europa –, könnte das laut PwC und ULI wiederum Preisrückgänge am Immobilienmarkt auslösen.

ULI: Marktausblick negativer als bisher

In puncto Immobilienentwicklung gaben die Befragten an, dass für das Jahr 2023 vorgesehene Projekte auf 2024 verschieben oder wollen oder die sogar ganz aufgegeben werden könnten. Weniger Neuentwicklung wird von einigen Branchenexperten allerdings als positiv für Bestandsobjekte und deren Eigentümer gewertet.

Nach Auffassung von Sabine Georgi, Geschäftsführerin des ULI in Deutschland, hat sich der Markt in den vergangenen Monaten rapide verändert – der Ausblick hat sich dabei zunehmend ins Negative gekehrt. Die tiefe Besorgnis der befragten Experten sei noch schlechter als sie zuletzt bei der Befragung im Sommer schon war, so Georgi: „Aber es gibt weiterhin viel Kapital, das darauf wartet, investiert zu werden. Zeit spielt dabei meistens keine so große Rolle, um die besten Gelegenheiten zu finden.“

Städteranking: London vor Paris und Berlin

Die Investitions- und Entwicklungsperspektiven haben sich im aktuellen Report für alle 30 platzierten europäischen Standorte insgesamt verschlechtert. London schneidet noch am besten ab und steht das zweite Jahr in Folge an der Spitze, gefolgt von Paris und Berlin.

„Ganz oben im Ranking der Sektoren stehen das zweite Jahr in Folge neue Energieinfrastrukturen, was sich durch die historisch hohen Energiepreise und einen längerfristigen Trend erklärt, bei dem die Investoren ihr Engagement auf alternative Anlagen verlagern“, erklärt Thomas Veith, Head of Real Estate PwC Deutschland und Global Leader Real Estate. Der Life-Science-Sektor steht an zweiter Stelle, gefolgt von Rechenzentren auf Rang drei.

„Emerging Trends in Real Estate Europe 2023“ ist die 20. Ausgabe eines jährlich erscheinenden Trendreports der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC und dem Urban Land Institute (ULI). Befragt wurden rund 900 Marktführer im europäischen Immobiliensektor zu ihren Prognosen für das kommende Jahr.

Quelle: Haufe Online Redaktion