Mi, 19.04.2023
Mieten oder kaufen? Nie war die Antwort schwieriger

Das Leben in Deutschland ist teuer geworden. Selbst Schulden machen kostet wieder richtig Geld. Dennoch – oder gerade deshalb – fragen sich viele, ob der Kauf einer Immobilie noch lohnt. Die Antwort darauf bringt selbst Experten ins Schleudern.

Um eines vorwegzunehmen: Die Entscheidung für oder gegen den Kauf einer Immobilie ist nicht nur eine monetäre, sondern hängt von vielen Variablen ab. Grundsätzlich gilt: Mit einem guten Einkommen, viel Eigenkapital und Zusatzsicherheiten – etwa durch Immobilien von Eltern oder Großeltern – lässt sich ein Kauf nach wie vor gut stemmen, trotz steigender Zinsen und Inflation.

Ganz wichtig ist aber auch die Familien- und Karriereplanung. Warum das so ist? Weil klare Perspektiven die Entscheidung für das passende Objekt erleichtern. Und die Finanzierung auf solidere Füße stellen.

Je mehr Variable, desto schwieriger der Kauf

Ein Single, der heute eine Zwei-Zimmer-Wohnung kauft, kann in einigen Jahren Probleme bekommen, wenn er für seine frischgebackene Ehefrau und die neugeborenen Zwillinge mehr Wohnraum benötigt. Natürlich besteht immer die Möglichkeit, das Objekt wieder zu veräußern. Allerdings darf man die in den vergangenen Jahren üblichen Wertsteigerungen von etwa fünf bis zehn Prozent per anno nicht in die Zukunft fortschreiben. Stattdessen könnte es auch durchaus einmal nach unten gehen. Wer dann verkauft und auch noch die Nebenkosten wie Grunderwerbsteuer, Makler-, Notar- und Grundbuchkosten abschreiben muss, macht keinen guten Schnitt.

Auch die Vermietung des Objekts ist dann keine ideale Lösung. Zwar finanziert sich die alte Wohnung dann im besten Fall von selbst. Allerdings fehlt nun vermutlich das Eigenkapital, um ein neues, größeres Eigenheim zu erwerben.

Fazit: Eine abgeschlossene Familienplanung und ein gutes berufliches Standing sind zwar kein Muss, sie erleichtern die Objektsuche und Finanzierung aber enorm.

Blackbox Preisentwicklung
Unabhängig von den persönlichen Parametern spielen natürlich auch die Entwicklung der Kaufpreise und die Zinsen eine tragende Rolle für die Kaufentscheidung. Das Problem ist nur: Derzeit lässt sich kaum prognostizieren, wohin die Reise geht. Zwar sinken seit einigen Monaten die Preise für Bestandsimmobilien in einigen Städten. Da es gerade in begehrten Lagen aber immer noch viel zu wenig Wohnraum gibt, bleibt der Markt umkämpft. Und der Kauf teuer.

Das liegt auch daran, dass die Mietpreise immer weiter steigen. Dieser Trend wird sich auf absehbare Zeit nicht ändern, solange der Staat es nicht schafft, die erforderlichen 350.000 bis 400.000 Wohnungen pro Jahr zu bauen. Das sind keine guten Nachrichten für Kaufinteressenten, da die Preisentwicklung sich deshalb bald wieder ins Plus drehen dürfte.

Strikte Vorgaben und hohe Belastungen

Was das bedeuten könnte, zeigt sich schon mit Blick auf die aktuelle Lage. Manchmal ist zu lesen, dass Käufer pro Jahr zwei Prozent der Darlehenssumme tilgen und für einen Kauf zwanzig Prozent Eigenkapital mitbringen sollen. Das engt den Kreis potenzieller Erwerber schon heute deutlich ein: Wer eine Wohnung für 600.000 Euro kaufen will und dafür ein Darlehen von 500.000 Euro aufnimmt, muss selbst bei einem sehr guten Zinssatz von 3,65 Prozent für 20 Jahre fest viel Geld in die Hand nehmen: Bei zwei Prozent Tilgung ergibt sich eine monatliche Rate von knapp 2.400 Euro. Um eine solche Summe stemmen zu können, müsste das monatliche Familiennettoeinkommen bei rund 7.000 Euro liegen. Das ist eine Menge. Der durchschnittliche Doppelverdienerhaushalt in Deutschland kommt derzeit auf gerade einmal 4.500 Euro netto.
Wie soll die Durchschnittsfamilie finanzieren?
Familien ohne Spitzeneinkommen müssen in der aktuellen Situation auf ein Prozent Tilgung ausweichen (etwa zwei Drittel der Banken bieten diese Modelle wieder an). Das Problem in diesen Konstellationen könnte allerdings das geforderte Eigenkapital sein. Ein Nettoeinkommen von 4.500 Euro ermöglicht eine Finanzierungsrate von 1.700 Euro pro Monat. Wer 80.000 Euro Eigenkapital hat, kann also ein Darlehen von rund 400.000 Euro finanzieren. Das Objekt darf dann nur 450.000 Euro kosten – und ein Großteil der Ersparnisse geht bereits für die 30.000 Euro Nebenkosten drauf. Im besten Fall.

Denn dass die Bank eine solche Finanzierung mitmacht, ist keineswegs ausgemacht. Der Grund: Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und die deutsche Bundesbank wollen, dass die Banken selbst mehr Eigenkapital hinterlegen, wenn sie 90 Prozent des Kaufpreises (oder mehr) finanzieren. Das ist nicht für jedes Geldhaus attraktiv.

Wer dennoch eine Finanzierung bekommt, muss zudem eine lange Zeit für die Tilgung einplanen: Schuldfrei wäre unsere Durchschnittsfamilie im obigen Beispiel erst nach 42 Jahren und nicht in 28 Jahren, wie bei zwei Prozent Tilgung.

Rechner hilft rechnen

Was bedeuten all diese Überlegungen für die Eingangsfrage: mieten oder kaufen?

Die Antwort darauf lautet nach wie vor: Es kommt darauf an. Fest steht, dass Interessenten sich mehr denn je mit den Vor- und Nachteilen eines Kaufs auseinandersetzen müssen. Gut helfen kann Ihnen dabei das Tool: „mieten oder kaufen“ der FMH-Finanzberatung.

Mit dem Rechner können Interessierte die Kosten einer selbstgenutzten Immobilie ihrer aktuellen und einer potenziellen neuen Mietwohnung gegenüberstellen. Der Betrag, um den die Mietwohnung monatlich billiger ist, wird in eine fiktive Geldanlage eingezahlt. Miet- und Immobilienpreissteigerungen können Nutzer dabei selbst spielerisch verändern und sich die Auswirkung ansehen. Das Ergebnis ist das Vermögen nach 40 oder 50 Jahren bei jeder Variante.

Gewisse Unsicherheiten bleiben

Mit der einen oder anderen Unsicherheit müssen Kunden allerdings leben. Zum Beispiel, was die Marktentwicklungen anbelangt. Wir bei der FMH-Finanzberatung gehen davon aus, dass die Bauzinsen in der näheren Zukunft wieder die vier Prozent-Marke reißen werden und langfristig sich zwischen drei und vier Prozent einpendeln werden. Zudem erwarten wir, dass die Wohnungsmieten weiter steigen. Und auch die Immobilienpreise dürften schon bald wieder anziehen.

Wer all diese Parameter in seine Entscheidung einstellt, muss daher am Ende doch eine höchstpersönliche Entscheidung treffen, ob er kauft oder weiter mietet. Eine solide Analyse der eigenen und der Marktsituation kann aber helfen, die Risiken zumindest zu minimieren.

Quelle: ntv.de