Fr, 15.02.2019
Mehr Märkte, mehr Gemeinschaft und mehr Förderung

Der Wohnungsbau hat in Deutschland wieder Hochkonjunktur. Jahrzehnte nach der Abschaffung der Wohngemeinnützigkeit und dem Verkauf kommunaler Wohnungsunternehmen steht bezahlbares Wohnen wieder ganz oben auf der (politischen) Agenda. Und das nicht nur in der Bundesrepublik, sondern in ganz Europa.

Bezahlbar bauen und wohnen — ein Thema, das Deutschland schon seit einiger Zeit in Atem hält. Nur Deutschland? Nein, denn für bezahlbares, gutes Wohnen setzen sich Akteure in ganz Europa ein. Doch wie ist es bei unseren europäischen Nachbarn um den (sozialen) Wohnungsbau bestellt?

Hybridmodelle für die Bereitstellung bezahlbaren Wohnraums
Um diese Frage zu beantworten, ist es wichtig zu wissen, wer sich heute eigentlich mit der Bereitstellung von sozialem und bezahlbarem Wohnraum befasst:
Sie kommen aus dem Wohnungsbausektor, aus Drittbranchen, aus den Kommunen und von der Landesebene. War der Wohnungsbau in den vergangenen Jahrzehnten in weiten Teilen Westeuropas noch von staatlichen, gemeinnützigen Akteuren geprägt – zu einer Zeit, in der auch der private Sektor sowie die steigende Anzahl von Bürgern und Kommunen ins Leben gerufenen Initiativen eine größere Rolle spielten – so betreten seit einiger Zeit zunehmend Hybridmodelle in der Wohnraumbereitstellung die Bühne.

Im Rahmen dieser Modelle wird Wohnraum von verschiedenen Akteuren kooperativ geschaffen, zudem zeichnet sie eine wachsende Zusammenarbeit zwischen Mietern und professionellen Vermietern sowie verstärkt eine Mischung aus öffentlicher und privater Finanzierung aus. Sozial orientierte Investoren dringen langsam in das Segment des bezahlbaren Wohnungsbaus vor.

Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum hat zudem viele Bürger motiviert – häufig in Gemeinschaft mit anderen und mit Unterstützung von Behörden, Dritten beziehungsweise privaten Akteuren –, sich eigenständig zu organisieren, um sich aktiv an der Bereitstellung von Wohnraum zu beteiligen. Letzteres entspricht einem breiteren gesellschaftlichen Trend, an den auch der Sharing-Gedanke angelehnt ist. Dieser Trend lässt sich nicht nur im Wohnungssektor beobachten, sondern in ganz Europa zum Beispiel auch in der Energieversorgung, bei Kindertagesstätten und im Bildungswesen.

In diesem Zusammenhang nehmen insbesondere die deutschen Wohnungsgenossenschaften eine Vorbildposition für andere Länder ein. Die sich in den 1980er Jahren anbahnende Abschaffung der Wohngemeinnützigkeit sozialer Wohnungsbaugesellschaften sowie der massenhafte Verkauf kommunaler und sozial orientierter Wohnungsunternehmen zu Beginn der 2000er Jahre oder auch die jahrelange Inaktivität beim Bau von Sozialwohnungen in Deutschland können hingegen als radikale Beispiele für eine verfehlte Wohnungspolitik gesehen werden.

Entwicklung des bezahlbaren Wohnens in Deutschland
Der deutsche Wohnungsmarkt ist von einem Ungleichgewicht geprägt, das sich durch Bevölkerungswachstum in Großstädten und Ballungsräumen auf der einen Seite und stetig fallender Bevölkerungsdichte in ländlichen Gebieten auf der anderen Seite auszeichnet.

Gesetzesentwürfe, zum Beispiel für sozialen Wohnungsbau, rücken in den Mittelpunkt des politischen und gesellschaftlichen Interesses.

In diesem Zusammenhang haben sich verschiedene Ansätze und Ideen zur Stärkung und Regulierung bezahlbaren Wohnraums in Deutschland entwickelt.

Die Mietpreisbremse ist eine dieser „Innovationen“, aber auch andere Überlegungen stehen im Raum, wie zum Beispiel die Wohnbeihilfe durch eine Klimakomponente aufzustocken, um Mieter zu motivieren, Wohnungen mit höherer Energieeffizienz zu mieten.
Eine weitere Idee sind besondere Beihilfeprogramme für spezielle Bevölkerungsgruppen wie Rentner, Studenten und Flüchtlinge.
Ein drittes Mittel stellt die Konzeptvergabe dar, bei der im Rahmen der Grundstücksvergabe die Qualität von Wohnungsbaulösungen und Konzepten aus der Stadtplanung im Vordergrund steht. Dieser Ansatz ermöglicht es den Kommunen, Bauland besser zu erschließen.
Ein anderer Weg ist, den aus der Planung entstehenden Wertzuwachs des Baugrunds abzuschöpfen und damit öffentliche Kosten zu decken sowie den Bau sozialer bzw. bezahlbarer Wohnungen zu gewährleisten.
Nicht zuletzt ist die vom GdW Bundesverband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft ausgehandelte Rahmenvereinbarung für serielles Bauen ein Beispiel immobilienwirtschaftlicher Bemühungen in Deutschland, den Wohnungsmangel zu beheben.

Diese Beispiele aus der Bundesrepublik zeigen unter anderem, wie die den Behörden zur Verfügung stehenden gesetzlichen Mittel erweitert worden sind. Eines bleiben die (neuen) Konzepte aber bisher schuldig: Noch ist die Nachfrage nach Wohnungen nicht befriedigt und den steigenden Wohnungskosten noch nicht Einhalt geboten. Dies zeigt einmal mehr, dass in der Wohnungsbaupolitik alle verfügbaren Mittel zusammenwirken und konsequent eingesetzt werden müssen, um bezahlbaren Wohnraum für alle zu gewährleisten. Ein Blick auf andere Länder kann dabei durchaus hilfreich sein.

Innovation bedarf der Unterstützung durch Regierungen
Die beschriebenen Entwicklungen in Deutschland entsprechen den Entwicklungen in anderen europäischen Ländern, wie zum Beispiel in den Niederlanden und England, die aufzeigen, dass Marktfaktoren, etwa rechtliche Anforderungen sowie veränderte Finanzierungsquellen für Wohnungsunternehmen, und kommunale Akteure für die Bereitstellung bezahlbaren Wohnraums eine immer wichtigere Rolle spielen. Gleichzeitig ist jedoch die aktive Beteiligung seitens der Behörden auf Landes-, regionaler und kommunaler Ebene notwendig, um den Markt und die kommunalen Akteure durch Anreize und Hilfestellung zu unterstützen und zu fördern.

Erfahrene soziale Wohnungsunternehmen sind für die Zusammenarbeit mit neuen Akteuren zur Schaffung bezahlbaren Wohnraums von besonderer Bedeutung. Den jeweiligen Regierungen kommt zudem eine besondere Verantwortung zu, den Weg für bezahlbaren Wohnraum zu ebnen, Innovationen in diesem Bereich zu fördern und deren Umsetzung und Weiterentwicklung zu stützen. Neuerungen und Fortschritte beim Schaffen bezahlbaren Wohnraums sollten in landesweite, regionale und städtische Planungsvorschriften integriert werden.

Dies kann zum Beispiel erfolgen durch

Gesetzesänderungen,
die Überarbeitung stadtplanerischer Instrumente oder
die Bereitschaft, als Initiator, Netzwerkmanager oder Aufsichtsbeauftragter des Wohnungsmarkts anzutreten.
Weitere Möglichkeiten könnten sein, an der Verbesserung der innerstädtischen Infrastruktur mitzuwirken und Strategien zum Erwerb von Baugrund zu entwickeln.

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