Do, 10.11.2022
Immobiliendarlehen kaum noch gefragt

Wegen steigender Zinsen ist das Interesse an Baufinanzierungen stark gefallen. Das Neugeschäft damit brach ein: Immobiliendarlehen sind so wenig gefragt wie seit acht Jahren nicht mehr.

Im Zuge der steigenden Zinsen ist die Nachfrage nach Baufinanzierungen weiter eingebrochen. Das Neugeschäft deutscher Banken mit Immobiliendarlehen an Privathaushalte und Selbstständige ging im September um 28 Prozent zum Vorjahresmonat zurück, wie neue Daten der Beratungsfirma Barkow Consulting zeigen. Mit einem Volumen von 16,1 Milliarden Euro liege das Neugeschäft auf dem niedrigsten Stand seit 2014.
Die Analyse stützt sich auf Zahlen der Europäischen Zentralbank (EZB) und der Bundesbank. Dabei besteht das ausgewiesene Neugeschäft aus Verlängerungen und Neuverhandlungen bestehender Finanzierungen sowie erstmals abgeschlossenen Krediten.

Verbraucher und Banken verunsichert

Laut Barkow handelt es sich um einen Rekordrückgang und einen sich beschleunigenden Abwärtstrend. Schon in den vergangenen Monaten hatte sich das Neugeschäft mit Baufinanzierungen wegen des Zinsanstiegs eingetrübt. Seit Jahresbeginn haben sich die Zinsen für zehnjährige Immobilienkredite auf rund vier Prozent mehr als vervierfacht. Bei den monatlichen Raten macht das oft Hunderte Euro aus.

„So einen Zinsanstieg gab es noch nie“, sagte Berater Peter Barkow. Auch Kreditvermittler berichteten in einer Umfrage der dpa von viel Zurückhaltung bei Verbrauchern. „Mit den steigenden Zinsen haben viele Menschen neu kalkuliert, sind bei der Immobilie Kompromisse eingegangen oder haben vom Immobilienkauf vorerst Abstand genommen“, hießt es etwa bei Interhyp. „Über alle Kanäle hinweg reduziert sich aktuell die Nachfrage am Markt“, sagte auch Michael Neumann, Vorstandschef bei Dr. Klein. Das Unternehmen Hüttig & Rompf beobachtet ebenfalls „definitiv eine deutliche Verunsicherung bei den Verbrauchern und Immobilieninteressenten“.

Hinzu kommt, dass Banken wegen der hohen Inflation Anträge auf Immobilienkredite strenger prüfen – sie setzen zum Beispiel höhere Lebenshaltungskosten bei Verbrauchern an. „Wenn eine Bank eine Anfrage bekommt, prüft sie den potenziellen Kreditnehmer sehr gründlich und macht sich Gedanken, ob dieser sich die teureren Zins- und Tilgungszahlungen in der Zukunft leisten kann“, erklärte Christina Bannier, Professorin für Banking & Finance an der Justus-Liebig-Universität Gießen, kürzlich gegenüber tagesschau.de. Dazu komme die Gefahr einer Rezession, die Jobverluste und Einkommenseinbußen bedeuten kann.

Projekte werden storniert

Als wäre das nicht genug, macht Bauherren auch der starke Anstieg der Baupreise zu schaffen. Viele Wohnbauprojekte werden bereits abgesagt. Im September meldeten laut ifo-Institut 16,7 Prozent der befragten Baufirmen stornierte Aufträge, deutlich mehr als im August. Mit den raueren Zeiten am Immobilienmarkt herrscht viel Nervosität, wie es weiter geht, nachdem die Preise jahrelang hochgeschossen waren.

Bei der Nachfrage nach Immobilienkrediten hat all das Spuren hinterlassen. Erreichte das Neugeschäft bei Wohnungsbaukrediten deutscher Banken an Privathaushalte laut der Prüfungsgesellschaft PwC im März noch ein Allzeithoch mit gut 32 Milliarden Euro, ging es in den Folgemonaten zurück und fiel im August auf 18,5 Milliarden Euro. Nachdem das Neufinanzierungsvolumen im Mai noch fast 20 Prozent über Vorjahr gelegen habe, sei es ab Juni ins Minus gedreht, heißt es bei Barkow Consulting. Im August sei das Minus zum Vorjahr auf 19 Prozent gewachsen und im Folgemonat auf 28 Prozent. Der Bestand insgesamt an Baufinanzierungen sei im September noch um gut sechs Prozent gestiegen – immer noch mehr als der langjährige Schnitt.

Für deutsche Banken sind Baufinanzierungen ein sehr wichtiges Geschäft. Private Immobiliendarlehen bilden mit rund 40 Prozent den größten Anteil in ihrem Kreditbuch. Nach Jahren des Booms lag der Bestand laut Barkow im September bei 1555 Milliarden Euro. Der Rückgang bei den Baufinanzierungen macht den Banken Sorgen. „Die Nachfrage ist von einem Tag auf den anderen eingebrochen. Viele Projekte im Planungsstadium werden storniert“, sagte Sparkassenpräsident Helmut Schleweis jüngst dem „Handelsblatt“.

Bauzinsen sinken wieder leicht

Die Bilthouse Gruppe, unter derem Dach mehrere Kreditvermittler vereint sind, kann die Berichte über den Abwärtstrend bestätigen. „Früher konnte man mit sehr wenig oder keinem Eigenkapital noch finanzieren.“ Derzeit könne man einige Finanzierungsanfragen nicht an Banken weitergeben, „da die Kunden die erhöhte Zinslast nicht tragen könnten“.

Die Darlehensvergabe der Banken sei erheblich restriktiver geworden, beobachtet auch Ditmar Rompf, Vorstandschef bei Hüttig & Rompf. „Bei verhältnismäßig geringem Eigenkapitalanteil schauen sie besonders genau hin.“ Der Anteil der Kaufinteressenten, den man wieder nach Hause schicken müsse, sei deutlich gestiegen.

Die Kreditvermittler sehen aber auch Lichtblicke. Einige Banken hätten auf die gestiegenen Zinsen reagiert und ihre Anforderungen an die Mindesttilgung heruntergesetzt, beobachtet Interhyp. Check24 berichtet zudem von leicht sinkenden Bauzinsen. Diese hätten im Oktober ihr Merhjahreshoch wieder unterschritten und seien auf durchschnittlich 3,62 Prozent gesunken. „Die Immobilienpreise sinken in einigen Regionen erstmals wieder“, sagt Ingo Foitzik, Geschäftsführer Baufinanzierung.

Quelle: tagesschau