Sa, 18.05.2019
„Ich rüge die Höhe der Miete“

Bislang hat die Mietpreisbremse mehr Wind gemacht als Nutzen gebracht. Das will Justizministerin Barley jetzt ändern: Künftig sollen Mieter zu viel gezahlte Miete vollständig zurückverlangen können. Und das ist noch nicht alles.

Es wird ein Gesetz auf den letzten Drücker: Justizministerin Katharina Barley (SPD) wird nur noch bis zur Europawahl am 26. Mai im Amt bleiben – aber bis dahin will sie ihren Entwurf zum Mieterschutzgesetz noch vorlegen. Ihr Plan: Die Mietpreisbremse erneut verschärfen und bis 2025 verlängern. „Angesichts der vielerorts weiterhin angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt wäre es verantwortungslos, auf die Mietpreisbremse zu verzichten“, sagte Barley.

Wesentliche Änderung: Künftig sollen Mieter zu viel gezahlte Miete vollständig vom Vermieter zurückverlangen können, also ab dem Datum der Unterzeichnung des Mietvertrags. „Damit wird den Vermietern ein starker Anreiz gesetzt, sich von Beginn an die Mietpreisbremse zu halten. Für Mieter wird es attraktiver ihre Rechte geltend zu machen“, so die Noch-Ministerin, die als Spitzenkandidatin für die SPD nach Brüssel gehen will. Noch können Mieter zu viel gezahlte Miete erst ab dem Zeitpunkt der Rüge zurückfordern.

Für Mieter hatte die Mietpreisbremse bisher nur einen sehr begrenzten Nutzen. Das hat das RWI-Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Kooperation mit dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung herausgearbeitet. Demnach hat die Mietpreisbremse den Anstieg der Mieten tatsächlich verlangsamt – aber nur mäßig: Wohnungen, die unter die Regulierung fallen, werden für 2,5 Prozent weniger vermietet als es ohne die Gesetzesänderung der Fall gewesen wäre.

Mietpreisbremse soll einfacher werden
„Umgerechnet auf eine Dreizimmerwohnung in Berlin mit 60 Quadratmetern führt die Mietpreisbremse zu einer monatlichen Ersparnis von rund 12,50 Euro“, so das RWI. Und ein bis anderthalb Jahre nach Inkrafttreten hätte die Mietpreisbremse keinen dämpfenden Effekt mehr auf die Mietsteigerungen. Die Aussagen basieren auf Daten aller Häuser und Wohnungen, die zwischen 2013 und 2017 auf der Internetplattform Immobilienscout24 zur Miete angeboten wurden.

Bisher hat die 2014 eingeführte Mietpreisbremse mehr Probleme gemacht als Lösungen geboten. In vielen Bundesländern wurde sie von Gerichten wieder kassiert, weil sie schlecht umgesetzt wurde. Auch für diese Fälle sieht Barleys Entwurf Erleichterungen vor, war aus dem Umfeld des Justizministeriums zu hören.

Demnach sollen die Hürden für die Bundesländer bei der Einrichtung der Mietpreisbremse tiefer gelegt werden, indem zum Beispiel bestimmte Auflagen für die Begründung einer solchen Maßnahme gelockert werden. „Für die Länder soll die Mietpreisbremse einfacher und praktikabler werden. Dadurch steigern wir die Rechtssicherheit und Reichweite der Mietpreisbremse“, sagte Barley.

Laut Entwurf soll zudem der Betrachtungszeitraum für die Mietpreisspiegel von vier auf sechs Jahre verlängert werden. Das würde dazu führen, dass in einem Markt der stetig steigenden Preise der Durchschnitt sinkt. Sollten die Mieten irgendwann einmal wieder fallen, wäre die sechsjährige Durchschnittsbetrachtung allerdings nachteilig für die Mieter.

Lukas Siebenkotten, Direktor des Deutschen Mieterbunds, begrüßte die geplante Verschärfung der Mietpreisbremse. „Es ist richtig, wenn Mieter rückwirkend zu viel gezahltes Geld vom Vermieter zurückverlangen könnten.“ Siebenkotten erwartet von der geplanten Gesetzesverschärfung jedoch keine allgemeine mietdämpfende Wirkung. „Die Mietpreisbremse betrifft nur Neu- und Wiedervertragsmieten, aber nicht die laufenden Verhältnisse, die mehr als 90 Prozent aller Mietverhältnisse ausmachen.“ Dafür sei eine Deckelung des Mietanstiegs nötig.

Siebenkotten schlug vor, dass Mieten für einen begrenzten Zeitraum, zum Beispiel fünf Jahre lang, nur noch in Höhe der Inflationsrate steigen dürften. „Außerdem müssten dafür mehr Sozialwohnungen gebaut werden“, forderte er. „Denn allein im Bestand lässt sich das Problem nicht lösen.“

Die Grünen gehen noch weiter. Sie haben auf ihrer Klausurtagung Anfang Mai in Potsdam eine grüne Mietgarantie beschlossen. Für Regionen, in denen Wohnungsnot herrscht, sollen „rechtssichere regionale Mietobergrenzen“ existieren. Höchstens drei Prozent Mietpreiserhöhung pro Jahr soll es demnach geben.

Und der ortsübliche Mietspiegel dürfe nicht überschritten werden, so der grüne Beschluss – bei Neuanmietung solle die Mietobergrenze bei fünf Prozent über der ortsüblichen Miete liegen. Die Grünen wollen zudem Ausnahmen von der Preisgrenze abschaffen und Missbrauch scharf sanktionieren – mit Strafzahlungen bis zu 50.000 Euro.

Neuer Streit in der Koalition
In der großen Koalition wird Barleys Entwurf kein Selbstläufer. Führende CDU-Politiker haben dem orstoß bereits eine Absage erteilt. Das halte er für wenig sinnvoll, sagte der hessische Ministerpräsident und CDU-Bundesvize Volker Bouffier am Montag in Berlin. Damit werde kein einziger Quadratmeter neuer Wohnraum geschaffen. Barley betreibe Aktionismus. „Das bringt gar nichts.“ Sein Amtskollege, der nordrhein-westfälische Regierungschef Armin Laschet, nannte den Vorschlag ein Wahlkampfmanöver und wenig durchdacht.

Auch der Vermieterverband Haus & Grund Deutschland hält die von Barley angekündigte weitere Verschärfung der Mietpreisbremse für reine Augenwischerei im Endspurt des Europawahlkampfes. „Die SPD gaukelt einkommensschwachen Mietern und Wohnungssuchenden vor, mit der Mietpreisbremse ließe sich das Problem einer enorm hohen Wohnungsnachfrage bei einem weitgehend starren Angebot lösen. Das kann nicht funktionieren“, so Haus & Grund-Präsident-Kai Warnecke.

Was gilt aktuell? Die Miete für einen neuen Mietvertrag darf seit Januar höchsten zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Ausnahmen: Wenn vor der Neuvermietung eine „umfassende Sanierung“ stattgefunden hat, wenn der Vermieter schon zuvor eine Miete oberhalb der Preisschwelle verlangt hat oder wenn es sich um einen nach September 2014 errichteten Neubau handelt.

Vermieter müssen vor Abschluss des Mietvertrages unaufgefordert und schriftlich darüber informieren, ob eine Ausnahme von der Mietpreisbremse vorliegt, die eine höhere Miete rechtfertigt. Mieter könnten erst den Vertrag unterzeichnen und später dann die zu viel gezahlte Miete zurückverlangen. Geht es nach Barleys Vorstellungen, dann gilt die potenzielle Rückzahlungspflicht ab der Unterzeichnung des Mietvertrags. Dafür genügt eine einfache schriftliche Rüge – Beispiel: „Ich rüge die Höhe der Miete“.

Quelle: WELT