Di, 01.10.2024
Grundsteuer-Bescheide: Antrag auf Aussetzung der Vollziehung

Nach Beschlüssen des Bundesfinanzhofs (BFH) zur neuen Grundsteuer (nur Bundesmodell) haben die Länder die Finanzämter angewiesen, wie in der Praxis mit Bewertungsbescheiden umzugehen ist – Eigentümer können die Aussetzung der Vollziehung beantragen.

Die obersten Finanzbehörden haben die Beschlüsse des Bundesfinanzhofs (BFH) in zwei Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zum Anlass genommen, sogenannte koordinierte Ländererlasse an die Finanzämter herauszugeben.

Eigentümer können die Aussetzung der Vollziehung des Wertbescheids beantragen. Dafür müssen sie schlüssig darlegen, dass der Grundsteuerwert den Verkehrswert um mindestens 40 Prozent übersteigt.

(Oberste Finanzbehörden der Länder, Erlasse v. 24.6.2024 – S 3017)‘

Neue Grundsteuer: BFH hat Zweifel am Bundesmodell
Der BFH hat sich in den Beschlüssen ausschließlich mit der Grundsteuer im Bundesmodell befasst, das elf Länder umsetzen. Die Erlasse, die bereits am 24.6.2024 ergangen sind, stellen keine Weisungen für die Finanzämter in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen und Hamburg dar – diese Bundesländer haben eigene Gesetze.

Besteht der Verdacht, dass die pauschal ermittelten Werte für die neue Grundsteuer deutlich zu hoch sind, muss die Feststellung ausgesetzt werden. Die Eigentümer erhalten die Chance, einen tatsächlichen niedrigeren Wert mit Gutachten nachzuweisen, das zeigt, dass die Werte so stark abweichen (mindestens 40 Prozent), dass das Übermaßverbot verletzt ist. Ist die Differenz kleiner, ändert sich nichts an der pauschal festgesetzten Steuer. Den Steuerpflichtigen trifft die Nachweislast.

Die BFH-Beschlüsse vom 27.5.2024 wurden am 13.6.2024 veröffentlicht. Da bereits Zweifel an der Höhe der festgestellten Grundsteuerwerte bestanden, war vom Gericht nicht mehr zu prüfen, ob die neue Berechnung grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Zweifeln unterliegt.

Grundsteuerwertfeststellungen nicht rechtmäßig
Beim Bundesmodell werden die Werte relativ pauschal ermittelt. Die Eigentümer hatten eingewandt, dass ihre Immobilien sehr viel weniger wert seien – unter anderem wurden dabei schlechte Zugänglichkeit des Grundstücks beziehungsweise ein sehr schlechter Zustand des Hauses angeführt.

Das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz meldete Ende November 2023 „ernstliche Zweifel“ an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Bewertungsregeln angemeldet und gab in einem Eilverfahren zwei Antragstellern (Az. 4 V 1295/23, Az. 4 V 1429/23) recht. Die Vollziehung der Grundsteuerwertbescheide wurde ausgesetzt und „wegen der grundsätzlichen Bedeutung“ der Rechtssache und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung Beschwerde zum BFH zugelassen.

Das FG bezweifelte, dass die entscheidend in die Bewertung eingeflossenen Bodenrichtwerte rechtmäßig zustande gekommen sind, auch was die gesetzlich geforderte Unabhängigkeit der Gutachterausschüsse angeht – hier könnten „Einflussnahmemöglichkeiten nicht ausgeschlossen werden“, so das Gericht. Zudem hätten Steuerpflichtige nicht die Möglichkeit, einen unter dem typisierten Bodenrichtwert liegenden Wert des Grundstücks nachzuweisen, etwa mit einem Gegengutachten, das im Gesetz aber eben nicht vorgesehen ist.

Die gegen die Entscheidungen des FG Rheinland-Pfalz erhobenen Beschwerden des Finanzamts hat der BFH in seinen Beschlüssen als unbegründet zurückgewiesen.

Keine Entscheidung über Verfassungsmäßigkeit
Nach Auffassung des BFH ergeben sich einfachrechtliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Grundsteuerwertfeststellungen in Bezug auf die Höhe daraus, dass den Steuerpflichtigen bei verfassungskonformer Auslegung der Bewertungsvorschriften die Möglichkeit eingeräumt werden müsse, bei einer Verletzung des Übermaßverbots einen niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen.

Der Gesetzgeber habe den Nachweis nicht ausdrücklich geregelt, verfüge aber gerade in Massenverfahren über einen großen Typisierungs- und Pauschalierungsspielraum. Das Übermaßverbot könne verletzt sein, wenn sich der festgestellte Grundsteuerwert als erheblich über das normale Maß hinausgehend erweise. Das setze nach bisheriger Rechtsprechung zu anderen typisierenden Bewertungsvorschriften voraus, dass der festgestellte Wert den nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Wert um 40 Prozent oder mehr übersteige.

In beiden Streitfällen kam der BFH zu dem Ergebnis, es sei bei summarischer Prüfung nicht auszuschließen, dass die Antragsteller jeweils aufgrund einzelfallbezogener Besonderheiten den erfolgreichen Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts ihrer Grundstücke mit der erforderlichen Abweichung zu den festgestellten Grundsteuerwerten führen könnten. Eine abschließende Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des neuen Bewertungsrechts ist damit nicht verbunden.

Landet die Grundsteuer vor dem Bundesverfassungsgericht?
Der Verfassungsrechtler Prof. Dr. Gregor Kirchhof, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Finanzrecht und Steuerrecht an der Universität Augsburg, hält das Grundsteuergesetz des Bundes für verfassungswidrig. Kirchhof riet Eigentümern in einem Interview mit dem „Focus“, sich gegen die Grundsteuer zu wehren. Die neue Grundsteuer wird ab Januar 2025 fällig.

In Baden-Württemberg, das dem Bundesmodell in modifizierter Form folgt, sind erste Musterklagen vor dem Finanzgericht gescheitert. Sollte das Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) landen, besteht theoretisch die Möglichkeit, dass es gekippt wird.

Quelle: www.haufe.de