Fr, 21.07.2023
Gefühlte Wahrheit oder Fakt? So teuer sind Immobilien wirklich

Laut einer Studie des Handelblatt Research Institutes sind Immobilien im Vergleich zu früher gar nicht so teuer. Die Studie blickt auf die deutlich höheren Zinsen Anfang der 1980er-Jahre, lässt aber veränderte Ansprüche und regionale Unterschiede bei den Preisen außer Acht.

von Markus Plettendorff

80 Quadratmeter im Altbau in Hamburg-Winterhude: 885.000 Euro. Sanierungsbedürftige 86 Quadratmeter in Hannovers Südstadt: fast 300.000 Euro. 120 Quadratmeter beim Erstbezug in Kiel-Düsternbrook: knapp eine Million Euro. Ein Auszug aus aktuellen Immobilienanzeigen lässt schnell die Frage aufkommen: Wer soll das bezahlen? Und ganz allgemein: Wer kann sich bei diesen Preisen überhaupt noch Wohneigentum leisten?

Studie betrachtet nicht nur aktuelle Preise

Nun kommt eine Studie vom Handelsblatt Research Institute jedoch zu dem Ergebnis, dass Immobilien so erschwinglich sind wie selten zuvor. Aber wichtig dabei zu wissen: Regionale Unterschiede sind nicht berücksichtigt.

Was die Forschenden gemacht haben, geht über eine reine Betrachtung der aktuellen Preise hinaus. Sie haben sich auch alte Kosten angeguckt, das Zins-Umfeld von früher und heute verglichen und auch die Einkommensverhältnisse. So entstand ein sogenannter Erschwinglichkeitsindex. Der wurde dann mit den 1980er-Jahren verglichen – und dabei kommen die Forschenden zu der Feststellung: Anfang der 1980er-Jahre war es sogar deutlich schwieriger, ein Eigenheim zu erwerben als heute.

Zinsen lagen Anfang der 1980er-Jahre bei bis zu zwölf Prozent

Aktuell liegt gerade eine Phase stark gestiegener Immobilienpreise und extrem niedriger Zinsen hinter uns. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine sind die Hypothekenzinsen deutlich gestiegen, die Immobilienpreise aber nur langsam gesunken oder – in den begehrten Lagen – auch gar nicht. Gefühlt ist es also für viele unmöglich, sich eine Immobilie zu kaufen.

In der Rückschau betrachtet hat es aber auch viele Jahre gegeben, in denen Immobilienpreise stabil waren, die Einkommen aber weiter gestiegen sind. Und besonders stark ist der Kontrast, wenn man sich die Hypothekenzinsen Anfang der 1980er-Jahre ansieht: Die lagen damals nicht bei vier, sondern bei zehn und zwölf Prozent.

Einige Faktoren machen Immobilienkauf heute teurer

Es gibt aber auch Faktoren, die den Haus- oder Wohnungskauf heute teurer machen als vor 40 Jahren. Die staatliche Förderung ist da zum Beispiel ein Thema: Früher hat es mit Steuerabschreibungsmodellen oder auch direkten staatlichen Zahlungen mehr Geld gegeben als heute.

Ein vergleichsweise neues Thema sind auch Grund- und Grunderwerbssteuern. Bis in die 1980er-Jahre hinein musste überhaupt keine Grunderwerbssteuer für selbstgenutztes Wohneigentum bezahlt werden. 1997 waren es dann bundesweit 3,5 Prozent. Seit mehr als 15 Jahren ist das Thema Ländersache und nun sind bis zu 6,5 Prozent zu bezahlen – auf den Kaufpreis gerechnet. In Niedersachsen sind es fünf Prozent. Damit hat der Staat den Immobilienkauf nicht unbedingt leichter gemacht.

Mehr Anteil vom Einkommen für die Wohnung aufzuwenden

Schaut man auf den Erschwinglichkeitsindex der Immobilienwirtschaft, dann stellt man fest, dass man heute schon etwas mehr seines Einkommens für eine Wohnung aufwenden muss als noch vor zehn Jahren – insbesondere für gute Wohnlagen. Ein allzu dramatischer Anstieg ist das jedoch nicht. Gleichwohl: Für untere Einkommensgruppen ist es mit Sicherheit schwerer geworden – nicht zuletzt auch wegen der Inflation, durch die ja auch mehr Geld für die Lebenshaltung abgeht.

Eigener Anspruch führt auch zu Kostensteigerung

Die eigenen Ansprüche ans Wohnumfeld spielen bei der Gesamtbetrachtung auch eine Rolle. In den vergangenen Jahren ist die Wohnfläche pro Einwohner deutlich nach oben gegangen. Hatte in einer Wohnung Anfang der 1990er-Jahre jeder noch etwa 35 Quadratmeter zur Verfügung, sind es heute fast 48. Rechnet man das bei einem durchschnittlichen Quadratmeterpreis von 3.500 Euro für eine dreiköpfige Familie aus, dann macht das schon Mehrkosten von 136.000 Euro aus.

Regionale Unterschiede berücksichtigt der Index nicht

Was der Erschwinglichkeitsindex nicht berücksichtigt sind mitunter große regionale Unterschiede. Eine Etagenwohnung in Vechta bekommt man etwa schon für deutlich unter 3.500 Euro pro Quadratmeter. Für eine Wohnung in einem begehrten Hamburger Stadtteil dürfte hingegen kaum etwas unter 6.000 Euro gehen, wenn nicht gleich das Doppelte aufgerufen wird. Zwei Stadtteile weiter – in nicht so begehrter Lage – kann man dann schon für etwas mehr als 4.000 Euro pro Quadratmeter etwas finden.

Wo man sucht, spielt also eine gewaltige Rolle für die Erschwinglichkeit, ebenso wie kompromissbereit man ist in Sachen Größe, Ausstattung, Sanierungszustand und Nachbarschaft. Das ist alles sehr individuell, genauso wie die Frage, wieviel Eigenkapital da ist.

Grundsätzlich aber kann man sagen: Auch wenn die Zinsen gestiegen sind – sie waren auch schon einmal noch deutlich höher. Zudem sinken die Immobilienpreise, wenn auch langsam und nicht überall. Und wenn eine interessante Immobilie schon länger inseriert ist: Einfach mal ein Angebot machen – zehn Prozent Abschlag, sagen Branchenkenner, seien oft drin.

Quelle: NDR Info