Trotz der Turbulenzen im Bankensektor steigt der Leitzins im Euroraum auf 3,5 Prozent. Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) reagierte mit der weiteren Anhebung um einen halben Prozentpunkt auf die hohe Teuerung.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat den Leitzins für den Euroraum erneut angehoben, er steigt um einen halben Prozentpunkt auf 3,5 Prozent. Das beschloss der Rat der Notenbank in Frankfurt. Die Euro-Währungshüter wollen damit der anhaltend hohen Teuerungsrate entgegenwirken. Viele Volkswirte hatten damit gerechnet, dass die EZB an dem in Aussicht gestellten kräftigen Zinsschritt festhält, trotz der Unsicherheit im Bankensektor nach dem Kollaps mehrerer kleinerer US-Banken und Sorgen um die Schweizer Großbank Credit Suisse.
Die EZB betonte: „Der Bankensektor des Euroraums ist widerstandsfähig: Kapital- und Liquiditätspositionen sind solide.“ Die Notenbank strebt für den Euroraum mittelfristig Preisstabilität bei einer Teuerungsrate von zwei Prozent an. Diese Zielmarke ist seit Monaten weit entfernt.
Seit Juli 2022 hat die EZB jetzt in sechs Schritten ihre Schlüssel-Zinssätze um insgesamt 350 Basispunkte angehoben.
Hohe Preise treiben Inflation
Zwar hat sich die Inflation im gemeinsamen Währungsraum in den vergangenen Monaten tendenziell abgeschwächt, zuletzt aber nur langsam. Im Februar lag die Inflationsrate nach einer Schätzung der europäischen Statistikbehörde Eurostat bei 8,5 Prozent nach 8,6 Prozent im Januar. Vor allem hohe Energie- und Lebensmittelpreise heizen die Inflation an.
Höhere Teuerungsraten schmälern die Kaufkraft von Verbraucherinnen und Verbrauchern, sie können sich für einen Euro weniger leisten. Steigende Zinsen können hohen Teuerungsraten entgegenwirken, weil sich Kredite verteuern und das die Nachfrage bremst. Stark steigende Zinsen wiederum können allerdings Banken unter Druck setzen, wie sich jüngst am Kollaps der Silicon Valley Bank (SVB) in den USA zeigte. Experten halten eine weltweite Finanzkrise wie nach dem Zusammenbruch der Lehman-Bank vor rund 15 Jahren aktuell dennoch für unwahrscheinlich.
Auch Einlagensatz steigt
Bundesfinanzminister Christian Lindner sagte, das deutsche Kreditwesen – private Banken, Sparkassen, genossenschaftliche Institute – sei stabil. „Und dafür sorgen wir auch weiter“, so der FDP-Politiker in der ARD-Sendung Maischberger.
Der sogenannte Einlagensatz, den Kreditinstitute erhalten, wenn sie Geld bei der EZB parken, steigt nach der Entscheidung des EZB-Rates auf drei Prozent. Seit der Kursänderung der EZB im Juli profitieren Sparer von steigenden Zinsen für Tages- und Festgeld. Allerdings mindert die hohe Inflation die Erträge.
„Verspätete, aber deutliche Entschlossenheit“
Trotz der Sorgen vor einer neuen Finanzkrise begrüßten Branchenvertreter die erneute Zinserhöhung. „Die EZB hat heute richtig entschieden, trotz der Turbulenzen an den internationalen Finanzmärkten an ihrer zuvor angekündigten Zinserhöhung festzuhalten“, so der Chefvolkswirt des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), Andreas Bley.
Der Bundesverband deutscher Banken (BdB) sprach sich für weitere Zinsschritte aus. „Die EZB sollte ihren Kurs weiter fortsetzen, damit die Inflation mittelfristig und nachhaltig zurückgedrängt werden kann“, sagte die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin Henriette Peucker.
Ähnlich sieht das der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Der heutige Zinsschritt zeige „die verspätete, aber auch deutliche Entschlossenheit, die Inflation an die Zielmarke von zwei Prozent zurückzubringen“, sagte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen, der einst selbst im EZB-Direktorium saß.
Quelle: tagesschau