Mi, 06.03.2019
Experten sehen Arbeit und Migration als Ursache für steigende Mieten

Wer umzieht, muss meist deutlich mehr zahlen als vorher. Aber auch bei laufenden Verträgen steigen die Mieten immer schneller, wie eine neue Mietspiegel-Untersuchung zeigt – besonders im unteren Preissegment.

Die Mieten in Deutschland steigen inzwischen schneller als die allgemeinen Verbraucherpreise. Im vergangenen Jahr zogen die Durchschnittsmieten, aus denen die offiziellen Mietspiegel berechnet werden, um 2,2 Prozent an. Die Inflationsrate hingegen lag bei 1,9 Prozent. Damit gewinnt auch die Preissteigerung bei laufenden Verträgen im Bestand an Fahrt, wie die Marktforschungsgesellschaft F+B berechnet hat.

Im Jahr 2017 war der von F+B errechnete Mietspiegel-Index noch um 2,1 Prozent gestiegen, ein Jahr zuvor nur um 1,8 Prozent und damit ähnlich schnell wie die allgemeine Preissteigerung. „Das dynamische Wachstum der Marktmieten bei der Neuvermietung wirkt sich sukzessive aber auch auf das Niveau der in den Mietspiegeln dokumentierten Mieten aus“, stellen die F+B-Experten fest.

Je länger der Preisboom bei neuen Mietverträgen anhält, umso stärker schlagen sich die höheren Preise demzufolge auch im breiten Durchschnitt nieder. Deutschlandweit beträgt die Durchschnittsmiete für eine 65 Quadratmeter große Wohnung den Marktforschern von F+B zufolge aktuell 6,92 Euro pro Quadratmeter. Das klingt zunächst günstig, jedoch weichen die Mieten in den größeren Städten deutlich davon ab.

Am teuersten ist es in Karlsfeld
Bisher war dabei stets München die teuerste Stadt. Dort werden aktuell 10,45 Euro bei laufenden Mietverträgen verlangt. Erstmals wurde die bayerische Landeshauptstadt im vergangenen Jahr aber von Karlsfeld überholt, einer zum Landkreis Dachau gehörenden Gemeinde nordwestlich von München. Während die bayerische Landeshauptstadt 51 Prozent über dem Preisdurchschnitt liegt, sind es in Karlsfeld schon 53 Prozent.

F+B erstellt ähnlich wie die Dienstleister Gewos oder Inwis regelmäßig Mietspiegel für deutsche Städte und Gemeinden. Dabei spielen die Wohnungsgröße, die Lage, die Ausstattung und der allgemeine Zustand eine Rolle. Für den jetzt veröffentlichten Mietpreisindex analysierte die Hamburger Gesellschaft die Mietspiegel aus 350 Städten und Gemeinden mit mindestens 20.000 Einwohnern.

Auffällig dabei: Unter den teuersten zehn Städten sind München und Stuttgart sowie umliegende Gemeinden. Erst auf den Plätzen 12 und 13 folgen Köln und Hamburg mit einem Indexwert von 125. Dort liegen die Mieten also 25 Prozent über dem bundesweiten Durchschnitt.

Freuen können sich hingegen Mieter in Berlin, die noch mit einem „alten“ Mietvertrag leben. In den westlichen Stadtteilen der Hauptstadt kosten Bestandswohnungen laut F+B im Schnitt 7,08 Euro, in den östlichen 6,40 Euro pro Quadratmeter. „Gerade in Berlin zeigt sich aufgrund seiner Größe und seines ausdifferenzierten Wohnungsmarktes eine enorme Spannbreite der Mieten, die der bloße Mittelwert naturgemäß nicht wiedergibt“, gibt Bernd Leutner, Geschäftsführer von F+B zu bedenken.

Migration lässt Nachfrage steigen
Erstmals macht Leuter auch vergleichsweise deutlich auf die durch Migration gestiegene Nachfrage im Wohnungsbestand aufmerksam: „Ein attraktives Arbeitsplatzangebot und die hohen Fernwanderungsgewinne durch Flüchtlinge und Migranten verschärfen die Wohnungsnachfrage, der Wohnungsmarkt wird enger, und das insgesamt steigende Mietniveau wirkt sich sukzessive auch im Bestand aufgrund von Mieterhöhungen im Rahmen bestehender Verträge und durch höhere Neuvermietungsmieten aus“, so Leutner.

Gerade jene Wohnungen, die an Flüchtlinge vermietet werden, tauchen in den einschlägigen Online-Immobilienportalen nur selten auf, da die Gemeinden diese oft direkt und ohne Umweg über den freien Vermittlungsmarkt anmieten. In den Statistiken für Neuvertragsmieten spielen diese Unterkünfte deshalb kaum eine Rolle. In den Mietspiegeln allerdings machen sich die neuen Miethöhen früher oder später bemerkbar.

„Die Auslandszuwanderung, insbesondere die der Flüchtlinge seit 2015, zielte und zielt vor allem in die Verdichtungsräume und Metropolen“, sagte F+B-Chef Leutner. Das gehe aus den Bevölkerungsstatistiken klar hervor. „Auch die kommunale Beratungspraxis von F+B zeigt deutlich, dass es Migranten dorthin zieht, wo schon eine landsmannschaftliche Community existiert – in die Großstädte.“

Und dort gebe es einen Effekt ausgerechnet im Marktsegment der günstigen Wohnungen: „Die von uns festgestellten leicht überdurchschnittlichen Mietsteigerungen im unteren Preissegment sind nicht zuletzt auf diese nachfrageverstärkenden Effekte zurückzuführen“, so Leutner.

Vermieter halten sich nicht an Regeln
Auffällig ist fast im gesamten Bundesgebiet die enorme Preislücke zwischen Mieten im Bestand und Neuvertragsmieten. Den von F+B ermittelten 6,92 Euro Nettokaltmiete pro Quadratmeter stehen 10,04 Euro gegenüber, die Vermieter laut Frühjahrsgutachten der Immobilienwirtschaft im Herbst vergangenen Jahres von neuen Mietern verlangten.

Dabei halten sich viele Vermieter offensichtlich nicht an die Regeln der Mietpreisbremse. Denn wo diese gilt, darf auch eine Neuvertragsmiete nicht mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete aus den Mietspiegeln liegen.

Allerdings zeigen die deutschen Mietspiegel alles andere als die ganze Wahrheit und werden regelmäßig kritisiert, angezweifelt oder sogar ignoriert. Städte und Gemeinden ermitteln ihre Durchschnittsmieten auf sehr unterschiedliche Art und Weise, manche Mietspiegel werden professionell erstellt – allerdings meistens auch nur per Umfrage. Manche kommen durch einfache Erhebungen zustande. Und viele Gemeinden verzichten sogar ganz auf einen Mietspiegel.

Die Wiesbadener Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung (GIF) stellte in einer am Dienstag veröffentlichten Untersuchung fest: Nur 44 der 80 größten deutschen Städte erstellen überhaupt einen qualifizierten Mietspiegel. In 23 Orten gibt es nur einen einfachen Preisspiegel, und in 13 Städten gibt es sogar überhaupt keine solche Datenbank. „Darunter sind sieben Städte mit angespanntem Wohnungsmarkt, in denen die Mietpreisbremse gilt“, stellten die GIF-Forscher fest. Aus Mietersicht ist das fatal. „Ohne Mietspiegel ist die Mietpreisbremse de facto weitgehend unwirksam.“

Quelle: Welt