Der Berliner Eigentümerverband Haus und Grund rief in einem umstrittenen Appell dazu auf, die „letzte Chance für Mieterhöhungen“ zu nutzen. Nun ist die Frist abgelaufen – und die Lobbyisten legen nach.
Es war ein Vorstoß, der auf dem Berliner Wohnungsmarkt für Empörung sorgte: Der Eigentümerverband „Haus und Grund“ hatte auf die Ankündigung des geplanten Mietendeckels mit einem Countdown reagiert. Angezeigt wurden Tage, Stunden, Minuten, Sekunden bis zum Ablauf der letzten Chance auf Mieterhöhung, verbunden mit einer Bitte: „Erhöhen Sie bis zum 17. Juni 2019 die Miete!“ Einen Tag darauf wurde das entsprechende Landesgesetz im Berliner Senat auf den Weg gebracht.
War der Appell erfolgreich? Ja, glaubt der Eigentümerverband. Und er will weitermachen: Seit Kurzem prangt auf der Website die Aufforderung, auch nach Ablauf der Frist noch die Miete zu erhöhen. Es könne nie schaden, Fakten zu schaffen. Ein Affront gegen Mieter? Oder ein normaler Vorgang in einer Marktwirtschaft? Im Interview stellt sich Kai Warnecke, Präsident von Haus und Grund, der Kritik.
SPIEGEL ONLINE: Herr Warnecke, vor wenigen Tagen endete ein Countdown, mit dem Sie Berlins Eigentümer zur Erhöhung der Mieten aufgefordert haben. Wie viele sind Ihrem Aufruf gefolgt?
Warnecke: Das wird sich erst bei den Reaktionen der Mieter zeigen, bisher habe ich dazu keine Zahlen. Aber die Kampagne unseres Berliner Landesverbands war vor einem konkreten Hintergrund zu sehen: Wohnungspolitisch sind die Sachdebatten in Berlin schon lange vorbei. Die Stimmung ist aufgeheizt und emotional, aber ich hoffe, dass der Berliner Senat so wie immer arbeitet – sprich erfolglos – und dass es keinen Mietendeckel gibt.
Zur Person
Kai Warnecke ist Präsident des Eigentümerverbands Haus und Grund Deutschland und Vizepräsident der International Union of Property Owners. Er studierte Rechtswissenschaften in Passau, Kiel und Glasgow und ist Vater von zwei Töchtern.
SPIEGEL ONLINE: Die Situation haben Sie mit angeheizt. Man startet doch keinen Mieterhöhungs-Countdown, um eine Debatte abzukühlen.
Warnecke: Was ist denn hier Aktion und was Reaktion? Ein Mietendeckel ist das extremste und radikalste, was wir in den letzten Jahrzehnten in der Politik erleben mussten. Wie sollen wir denn noch reagieren? In Berlin wurde seit Jahren praktisch kein Baugebiet ausgewiesen, alle größeren Projekte sind gescheitert, der Dachgeschossausbau wird verhindert – es funktioniert nichts. Ein Mietendeckel wird zu einer weiteren Verschlechterung der Situation führen und private Vermieter besonders hart treffen. Da können wir nicht die Hände in den Schoss legen.
SPIEGEL ONLINE: Die Folge war, dass zahlreichen Berlinern in letzter Sekunde eine Mieterhöhung ins Haus geflattert ist. Das macht Ihnen keine Sorgen?
Warnecke: Das ist das Ergebnis des Mietendeckels. Immer wenn so etwas angekündigt wird, reagieren die Vermieter, das ist normal und üblich und wäre auch ohne unseren Countdown passiert. Als die alten Glühbirnen abgeschafft wurden, haben die Leute in letzter Sekunde Glühbirnen gehortet – Eigentümer sind auch nur Menschen.
SPIEGEL ONLINE: Jetzt steht auf der Seite Ihres Landesverbands: „Nicht resignieren: Warum es auch nach dem 17. Juni noch sinnvoll ist, die Miete zu erhöhen.“ War der Countdown nur Panikmache?
Warnecke: Das kann man so nicht sagen, aber juristisch ist völlig umstritten, wie es jetzt weitergeht. Das Land Berlin ist unserer Ansicht nach nicht befugt, einen Mietendeckel auf den Weg zu bringen. Wir werden eine Flut von Rechtsstreitigkeiten sehen.
SPIEGEL ONLINE: Also sollen Vermieter auch jetzt noch schnell „Fakten schaffen“, wie der Landesverband fordert?
Warnecke: Nicht unbedingt. Private Vermieter haben weit unterdurchschnittliche Mieten und entsprechen damit dem Wunsch, ein friedliches Mietverhältnis zu haben und den Mieter auch nicht auszuquetschen. Aber wer jetzt sein Haus nicht verlieren will – und das droht, wenn der Mietendeckel auch nach fünf Jahren noch bleiben wird -, muss sich rechtzeitig auf diese Lage vorbereiten.
SPIEGEL ONLINE: Aber Vermieter tragen doch auch eine soziale Verantwortung. „Eigentum verpflichtet“, heißt es im Grundgesetz.
Warnecke: Private Vermieter kommen ihrer Verantwortung täglich nach, sie sind das Rückgrat der Wohnungsversorgung in Deutschland. Sie halten über 80 Prozent aller Wohnungen und bieten 66 Prozent aller Mietwohnungen an. Sie bauen altersgerecht um, modernisieren energetisch und tun dies in der Stadt wie auf dem Land, um einen stärkeren gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern. Deswegen werben wir für einen fairen Interessenausgleich zwischen Mietern und Vermietern, wollen aber auch faire Rahmenbedingungen.
SPIEGEL ONLINE: In Berlin hofft man, Vorbild zu sein für andere Bundesländer. Wenn es soweit kommt, starten Sie dann einen bundesweiten Aufruf zur Mieterhöhung?
Warnecke: Den Berliner Irrweg wird wohl kein anderes Bundesland verfolgen, das wissen wir aus Gesprächen, deswegen gibt es derzeit auch keinen Grund für einen solchen Aufruf.
SPIEGEL ONLINE: Die öffentliche Meinung ist Vermietern gegenüber jetzt schon sehr kritisch. Hat Ihnen diese Aktion wirklich etwas gebracht?
Warnecke: Es ist in der Tat so, dass die öffentliche Meinung – woher die auch immer kommt – nicht der Realität entspricht. Alles dreht sich um die großen Immobilienkonzerne, während in Wirklichkeit zwei Drittel der Mietwohnungen von privaten Kleinvermietern angeboten werden. Deswegen muss ich um Verständnis bitten, dass wir an dieser Stelle auch mal aufschreien, damit es auch mal hochkocht. Was anderes bleibt uns nicht übrig.
SPIEGEL ONLINE: Wird es weitere Kampagnen zur Mieterhöhung geben?
Warnecke: Kommt darauf an, was der Berliner Senat macht. Das Eckpunktepapier ist noch nicht mal formell veröffentlicht, es enthält viele auslegungsbedürftige Punkte, da wird man abwarten müssen. Aber wir haben kein Interesse daran, Mieter aus Wohnungen rauszuekeln, wir vermieten eigentlich gerne.
Quelle: SPIEGEL ONLINE