Fr, 29.01.2021
Droht die Immobilienblase zu platzen?

Der deutsche Immobilienmarkt ist mit Geld überschwemmt, die Preise steigen – schneller als die Mieten. Der aktuelle Empirica-Blasenindex indiziert eine wachsende Zahl überbewerteter Märkte. Je größer die Inzidenz, desto eher kann es regional zu Preiseinbrüchen kommt. Droht die Blase zu platzen?

Wenn die Wohnimmobilienpreise schneller als die Mieten oder Einkommen steigen, für den Immobilienkauf immer mehr Kredite aufgenommen werden oder mehr Wohnungen gebaut als gebraucht werden, steigt auch die Gefahr einer Immobilienblase. Wie es aktuell aussieht, zeigt der Blasenindex für das vierte Quartal 2020 des Forschungsinstituts Empirica, der das Geschehen am deutschen Immobilienmarkt vierteljährlich untersucht.

Blasengefahr: In Schrumpfungsregionen steigt die Inzidenz am stärksten
Alleine die anhaltende Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) sorgt dafür, dass in vielen Städten die Immobilienpreise steigen, zum einen weil Kredite günstig sind und das billige Geld den Markt flutet, zum anderen weil derzeit auch der Run der professionellen Anleger auf Sachwerte so groß ist, dass die Nachfrage das Angebot vielerorts bei weitem übertrifft. Die Mieten kommen den Preisen nicht hinterher.

Seit elf Jahren wachsen die Kaufpreise schneller als die Einkommen, seit zehn Jahren steigen sie auch schneller als die Mieten, erklärt Empirica-Vorstandschef Dr. Reiner Braun. Seit dem Jahr 2012 steigt außerdem die Neubautätigkeit und wachsen die neuen Baukredite schneller als das Bruttoinlandsprodukt. „Im Ergebnis zeigt unser Blasenindex seit neun Jahren eine steigende Gefahr an“, sagt Braun, seit vier Jahren könne man von einer echten Gefahr sprechen.

Mieten und Kaufpreise: In Dreiviertel der Kreise und Städten nicht im Einklang
Der Empirica-Blasenindex misst in immer mehr der untersuchten 401 Städte und Kreise eine Überbewertung der Immobilienmärkte beziehunsgweise ein Auseinanderdriften der Mieten und Kaufpreise: 295 sind es aktuell (Vorquartal 285, vor drei Jahren 206). Der steigende Wert indiziert Braun zufolge einen zunehmenden Anteil „infizierter“ Kreise.

„Nun führt nicht jede Infektion zu Symptomen (vulgo: platzende Blase)“, sagt der Empirica-Vorstandschef, „aber je größer die Inzidenz, desto wahrscheinlicher kann es natürlich regional zu Preiseinbrüchen kommen.“ Laut Empirica steigt die Inzidenz derzeit am schnellsten in den sogenannten Schrumpfungsregionen. Auch hier treiben die Niedrigzinsen die Preise nach oben, während die Mieten kaum noch steigen.
Einen Grund für diese Entwicklung langsamer wachsender Mieten sehen die Experten in der Corona-Pandemie, die der Suburbanisierung noch einmal einen Schub verliehen hat und die den Nachfragedruck von den Schwarmstädten nimmt: Bei gleichzeitig steigender Neubautätigkeit kommt auch dort der Mietanstieg ins Stottern – vor allem im gehobenen Preissegment. Die Gefahr regionaler Preiseinbrüche besteht vor allem dort, wo lokale Großbetriebe im großen Stil Arbeitsplätze abbauen, resümiert Braun.

In elf von zwölf Großstädten ist eine „eher hohe“ Blasengefahr indiziert
Im Empirica-Index für das vierte Quartal steigt die Blasengefahr wegen den Mieten enteilender Kaufpreise mittlerweile in elf von zwölf Großstädten (Vorquartal zehn, vor drei Jahren neun), darunter die sogenannten Top 7 Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, München und Stuttgart. Neu dazu gekommen ist Dortmund, für das jetzt eine „eher hohe“ Blasengefahr indiziert wird. Nur in Köln ist die Gefahr „mäßig“, weil hier zu wenig gebaut wird. Zu viel gebaut wird nach den aktuellen Zahlen in 65 Kreisen (Vorquartal 65, vor drei Jahren 27).

Im Ergebnis indiziert der Empirica-Blasenindex mittlerweile für 324 von 401 Kreisen in Deutschland eine mäßige bis hohe Blasengefahr (Vorquartal 317, vor drei Jahren 227).

Das Rückschlagpotenzial, das im Empirica-Index die relative Preiskluft zwischen Kaufpreisen für Eigentumswohnungen und Mieten beschreibt, liegt bundesweit bei 26 Prozent (vor drei Jahren 14 Prozent), in den Top 7-Städten ist die Kluft noch größer mit 44 Prozent (vor drei Jahren 30 Prozent). Begünstigt wird ein Preiseinbruch durch nachlassenden Mietanstieg: mehr Neubau, Suburbanisierung oder wachsende Arbeitslosigkeit. Unwahrscheinlicher würde ein Einbruch durch sinkende Zinsen oder steigende Einkommen. Laut Empirica sind nur noch in 324 Kreisen die Kaufpreise den Einkommen enteilt (Vorquartal 325, vor drei Jahren 235).

Quelle: haufe