Di, 09.04.2019
Der Preisgipfel beim Wohnen ist noch nicht erreicht

Region Stuttgart. Deutliche Unterschiede bei den Preisanstiegen sowohl für Eigentumswohnungen und Häuser wie auch für Mietwohnungen zeigen sich in den Kreisstädten der Region. Doch insgesamt ist eine Entspannung nicht in Sicht, die Nachfrage bleibt hoch.

Obwohl die Einwohnerzahl von Stuttgart seit 2011 nur um rund 7% bzw. 45.600 Einwohner gewachsen ist, nennt Deutsche Bank Research dieses Wachstum „beachtlich“, denn die Kessellage beschränke die Neubaukapazitäten. „Das karge Wohnungsangebot bereitet auch auf dem Arbeitsmarkt Probleme“, stellt Stephan Kippes, Leiter des IVD-Marktforschungsinstituts, fest. Dieses hat zum zweiten Mal ein Marktbericht für die ganze Region Stuttgart vorgelegt.

In der Region gibt es viele exportorientierte Konzerne und Mittelständler sowie eine hohe Dichte an Forschungseinrichtungen. Das sorgt für Zuzug. Trotz der guten Arbeitsmarktentwicklung war die Bauaktivität verhalten. So wurden von 2015 bis 2017 in Stuttgart nur rund 2.100 Wohnungen fertiggestellt, was etwa 0,7% des Wohnungsbestands entspricht. „Der kräftige Rückgang der Genehmigungen im Jahr 2017 auf 1.460 Wohnungen, den niedrigsten Wert seit dem Jahr 2010, lässt auch nach dem Jahr 2017 keine rasche Entspannung erwarten. Auch langfristig dürfte das Angebot begrenzt bleiben“, stellte die Deutsche Bank dieses Frühjahr fest.

So seien die Wohnungspreise im Bestand seit 2009 um fast 120% und 2018 um 7,5% gestiegen. Die Preise sowohl für neue Reihenhäuser als auch im Bestand sowie für Einfamilienhäuser stiegen über den gesamten Zyklus um rund 50%, im Jahr 2018 für diese Objekttypen um 7,2% bis 10,6%. Laut dem Bankhaus schlugen die Preiszuwächse sich auch auf die Mieten nieder. Die Wiedervermietungsmieten kletterten über den gesamten Zyklus um 68%, im Neubau um 65%. 2018 verzeichneten die Neubaumieten ein Plus von 9%, die Mietpreise für Bestandswohnungen stiegen lediglich um 3%.

In den Kreisstädten der Region zeigt sich laut dem Marktbericht des IVD Süd der Wohnungsmarkt differenziert. Bei Eigentumswohnungen aus dem Bestand wurden in Waiblingen, Ludwigsburg und Böblingen tendenziell konstante Preise bis leichte Kaufpreiszuwächse im Halbjahresvergleich von Frühjahr bis Herbst 2018 gemessen. In Göppingen und Reutlingen gab es moderate Anstiege zwischen 1,9% und 2,1%, während Esslingen sich mit einem deutlichen Anstieg von 5,6% hervorhob. Vergleichsgrundlage war jeweils ein guter Wohnwert. „Die aktuell geringen Preisanstiege bei Eigentumswohnungen in Böblingen und Waiblingen lassen sich unter anderem durch sehr hohe Preisanstiege in der jüngsten Vergangenheit erklären“, so Kippes.

Im Segment frei stehende Einfamilienhäuser wurde im genannten Halbjahresvergleich folgende Entwicklung beobachtet: Böblingen verzeichnete mit plus 4,2% den stärksten Anstieg bei Kaufpreisen noch vor Stuttgart mit 3,5%. Esslingen und Waiblingen wiesen mit einem Plus von 3,2% bzw. 2,5% moderate Zuwächse auf. In Ludwigsburg lag der Preisanstieg bei 1,6%, in Reutlingen blieben die Kaufpreise konstant, jeweils bezogen auf Objekte mit einem guten Wohnwert.

In Waiblingen legten auch die Mietpreise bei Bestandswohnungen zwischen Frühjahr und Herbst 2018 mit 5,3% am stärksten zu. In Esslingen kletterten sie um 3,2%, in Göppingen um 2,8% und in Reutlingen um 2%. Ein konstantes Mietniveau verzeichneten Ludwigsburg und Böblingen, in der Landeshauptstadt Stuttgart gab es einen Mietpreisanstieg um 2,9%.

Grafik Stuttgart ist teuerste Stadt

In Böblingen treibt der Mangel an Baugrundstücken die Preise in die Höhe. Sowohl Kapitalanleger wie Eigennutzer suchen Neubauten in attraktiven Lagen. Im unteren und mittleren Preissegment ist der Nachfragedruck besonders hoch, da es kaum Neubauprojekte gibt. Angespannt bleibt daher auch der Mietmarkt, besonders groß ist die Nachfrage nach Zweizimmerwohnungen und günstigen familiengerechten Wohnungen. Aufgeheizt wird auch der Esslinger Wohnimmobilienmarkt bleiben, da auf der Angebotsseite so gut wie keine Objekte vorhanden sind. Auf dem Mietmarkt fehlen in erster Linie bezahlbare Wohnungen für Haushalte mit geringem Einkommen.

„Der Wohnimmobilienmarkt in Göppingen nimmt Fahrt auf“, beobachtet Kippes. Die Dynamik habe in allen Wohnimmobilienklassen deutlich zugenommen, aber es handele sich um einen ausgeprägten Verkäufermarkt. Allerdings ist das Preisniveau mit Blick auf die räumliche Entfernung zur Landeshauptstadt „teilweise deutlich niedriger als in den restlichen Kreisstädten der Region Stuttgart“, beobachtet Kippes. Die Situation auf dem Mietermarkt habe sich aktuell etwas verschärft. Ausgeprägt ist auch in Göppingen der Mangel an Sozialwohnungen.

In Ludwigsburg verharren die Preise auf einem hohen Niveau, allerdings beobachtet das IVD-Institut, dass die Preissteigerungen nicht mehr so deutlich wie in den Vorjahren ausfallen, in einzelnen Segmenten könne eine „gewisse Plateaubildung“ bei den Kaufpreisen festgestellt werden. Interessenten fänden mittlerweile ein „respektables Angebot“, jedoch auf hohem Preisniveau, „das sich viele nicht mehr leisten können oder wollen“. Besonders angespannt bleibt der Mietmarkt für einkommensschwache Haushalte. Mittlerweile wirke sich die Wohnungsnot auch auf den Arbeitsmarkt aus, insbesondere das produzierende Gewerbe können keine Mitarbeiter aus anderen Regionen gewinnen, da für diese das Wohnen zu teuer ist (siehe auch „Polit-Lethargie lähmt Wohnungsbau“).

Zu wenige Reihen- und Doppelhäuser werden in Reutlingen gebaut, Familien würden daher auf den Geschosswohnungsbau ausweichen. Trotz der durch die Reutlinger Wohnbauflächenoffensive angestoßenen Neubautätigkeit wird die Nachfrage nach Mietwohnungen in den kommenden Jahren wohl nicht befriedigt werden. Insbesondere im Preisbereich bis 1.000 Euro/Monat Kaltmiete mit einer Wohnfläche von ca. 90 m² herrsche eine hohe Nachfrage von innen und außen. Die Nähe zu Stuttgart wirkt sich in Waiblingen auf das Preisniveau aus. Bedingt durch den Angebotsmangel an Renditeobjekten würden Anleger von Stuttgart in die Randbezirke und so auch nach Waiblingen ausweichen. Auch hier decken die geplanten Wohnungsneubauten den Bedarf nicht ab.

Quelle: ImmobilienZeitung