Der Anstieg der Bauzinsen setzt sich fort – und ein Ende des Trends ist nicht absehbar. In diesem Jahr könnten sie sogar die Marke von fünf Prozent durchbrechen. Für Immobilienkäufer hätte dies drastische Folgen.
Die Zeitenwende am Immobilienmarkt nimmt immer mehr Gestalt an. Ende 2022 sind die Neuanträge für Baufinanzierungen um 43 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum eingebrochen – so stark wie noch. Der Hauptgrund: steigende Zinsen. Im vergangenen Jahr waren die Bauzinsen für zehnjährige Darlehen zeitweise über die Marke von 4,0 Prozent gestiegen. Zu Beginn des neuen Jahres notieren sie knapp darunter.
Zehnjährige Rendite so hoch wie seit 2011 nicht mehr
Wer verstehen will, warum die Bauzinsen so stark gestiegen sind, muss auf den Anleihenmarkt schauen. Denn es sind die zehnjährigen Bundesanleihen, welche die Richtung für Pfandbriefzinsen und damit indirekt auch für Bauzinsen vorgeben. Tatsächlich bestreiten die Banken ihr Baufinanzierungsgeschäft in erster Linie über den Handel mit Pfandbriefen.
Vor diesem Hintergrund verheißen die jüngsten Entwicklungen am Anleihenmarkt für Immobilienkäufer nichts Gutes, ist doch die Rendite für zehnjährige Bundesanleihen in dieser Woche bis auf 2,72 Prozent und damit den höchsten Stand seit 2011 gestiegen.
Spekulationen über Zinsgipfel
„Grundsätzlich sind am Anleihenmarkt in den letzten Wochen jede Menge Zinserhöhungserwartungen eingepreist worden, demzufolge sind die Renditen deutlich gestiegen“, erklärt Anleihen-Experte Ralf Umlauf von der Helaba gegenüber tagesschau.de. Die Spekulation erreiche nun aber langsam Niveaus, wo kein wesentliches Aufwärtspotenzial mehr zu bestehen scheint.
Die zentrale Frage für den Anleihemarkt lautet nun: Wann wird die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Zinserhöhungszyklus abschließen – und damit auch dem Höhenflug der zehnjährigen Rendite ein Ende bereiten? „Die EZB dürfte noch im ersten Halbjahr das Zinshoch erreichen“, so Umlauf.
Konjunktur brummt – muss die EZB nachlegen?
Diese Prognose ist allerdings mit Unsicherheiten behaftet, wie Umlauf selbst unumwunden zugibt: Diesbezüglich gebe es nämlich sehr widersprüchliche Signale von Seiten des EZB-Rats, aber auch von Seiten der Konjunktur.
In der Tat hat es die EZB bisher nicht geschafft, die Konjunktur deutlich zu dämpfen. So stieg etwa der Einkaufsmanagerindex für die Eurozone im Februar auf 52,3 Punkte und damit den höchsten Stand seit neun Monaten. Werte von mehr als 50 deuten auf wirtschaftliches Wachstum hin. Das weckt an den Märkten neue Sorgen vor steigenden Leitzinsen, die wiederum ihre Wirkung auf die Bauzinsen nicht verfehlen dürften.
Inflation bleibt hartnäckig hoch
„Alles hängt nun von der EZB ab, wie ernst sie es mit der Inflationsbekämpfung meint und ob sie sogar bereit ist, dafür die Wirtschaft abzuwürgen“, betont Max Herbst von der gleichnamigen Frankfurter Finanzberatung (FMH) im Gespräch mit tagesschau.de. Denn nur wenn es die EZB schafft, die Inflation zu dämpfen, würden auch die Anleihenrenditen und die Bauzinsen wieder runtergehen.
„So wie es aussieht, ist die Inflation derzeit aber nicht kleinzukriegen. Hinzu kommt die wachsende Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale angesichts von Lohnforderungen der Gewerkschaften von zehn Prozent und mehr“, gibt Herbst zu bedenken. Die Inflationsrate in Deutschland war im Februar laut einer vorläufigen Schätzung des Statistischen Bundesamts mit 8,7 Prozent unverändert hoch geblieben.
Kein unwahrscheinliches Szenario
„Die Inflation in Deutschland bleibt hartnäckig“, betont Ulrike Kastens, Volkswirtin Europa beim Vermögensverwalter DWS. Kastens rechnet nicht mit einem schnellen Rückgang der Kerninflation – weder in Deutschland, noch in der Eurozone. „Damit steigt der Druck auf die EZB, auch über den März hinaus die Leitzinsen weiter deutlich anzuheben.
„Damit dürfte die EZB wiederum den Boden bereiten für weiter steigende Renditen und damit auch für neue Hochs bei den Bauzinsen. „Man muss kein großer Prophet sein, um vorherzusagen, dass wir die vier Prozent mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit bald wiedersehen werden“, erklärt Finanzexperte Herbst. „Selbst das Szenario, wonach wir dieses Jahr bei den Bauzinsen noch die Fünf-Prozent-Marke erreichen, ist gar nicht einmal so utopisch.“
Was fünf Prozent Hypothekenzinsen konkret bedeuten
Für Immobilienkäufer hätte dies drastische Folgen, wie Herbst anhand eines Rechenbeispiels erläutert: Bei einem Darlehen von 400.000 Euro und einer Laufzeit von zehn Jahren bei zwei Prozent Tilgung würden heute bei einem effektiven Jahreszins von 4,0 Prozent monatlich 1973 Euro fällig. „Steigt der Zinssatz nun um einen Prozentpunkt auf 5,0 Prozent, läge die monatliche Rate bei 2300 Euro“, so Herbst.
„Nach zehn Jahren hätte der Immobilienkäufer somit 40.000 Euro mehr an Zinsen bezahlt. Natürlich könnte er auch auf ein Prozent Tilgung runtergehen. Dann wäre aber die Restschuld um 46.000 Euro höher“, beschreibt der Finanzexperte das Dilemma für Immobilienkäufer.
Sinkende Zinsen erst gegen Jahresende?
Erst gegen Jahresende können Immobilienkäufer wieder auf etwas Entspannung bei den Zinsen hoffen. Der Druck vom Rentenmarkt dürfte sich dann abschwächen. „Wir sehen die zehnjährige Rendite zum Ende des Jahres wieder eher im Bereich der 2,30 bis 2,50 – also einen Tick schwächer als das aktuelle Niveau“, erklärt Helaba-Ökonom Umlauf.
Finanzexperte Herbst rechnet für den Herbst mit einem Hoch bei den Hypothekenzinsen: „Üblicherweise erreichen die Bauzinsen nach den Sommermonaten, im September/Oktober, ihren höchsten Stand.“
Quelle: tagesschau