Mi, 19.10.2022
Bauzinsen erreichen höchsten Stand seit einem Jahrzehnt – Trend zeigt weiter nach oben

Bei Krediten steht jetzt meist eine Vier vor dem Komma. Experten erwarten einen weiteren Anstieg in den nächsten Monaten. Kleine Tricks können die Belastung senken.

Nach einer kurzen Pause steigen die Bauzinsen wieder kräftig. Wer jetzt eine neue Hypothek aufnehmen will, muss mit einer Vier vor dem Komma rechnen. Deshalb tun es auch immer weniger Menschen: Die Zahl der Kreditanfragen bei Instituten und Vermittlungsplattformen ist in den vergangenen Wochen drastisch zurückgegangen. Der jahrelange Preisanstieg bei Immobilien ist offenbar zum Stillstand gekommen.

Für einen Baukredit mit zehn Jahren Laufzeit werden laut der FMH-Finanzberatung in Frankfurt aktuell durchschnittlich 4,08 Prozent fällig. Das ist der höchste Stand seit elf Jahren. „Wir werden auch noch 4,5 Prozent sehen“, sagt FMH-Experte Max Herbst. Spektakulär ist nicht so sehr die absolute Höhe, sondern vor allem der steile Anstieg. Bis Anfang des Jahres war es mit rund einem Prozent getan, im Sommer waren es schon mehr als 3 Prozent. Eine Abschwächung war nur von kurzer Dauer: Mitte August lag der Zins bei 2,3 Prozent – zwei Monate später ist es rund die Hälfte mehr.

Die Monatsrate hat sich fast verdoppelt

Die Folgen sind drastisch: Die Kreditplattform Dr. Klein hat die Belastung aus einem durchschnittlichen Kredit über 300.000 Euro im Jahresvergleich errechnet. Demnach lag die Monatsrate im September 2021 bei 790 Euro, ein Jahr später schlägt ein neu abgeschlossener Kredit mit durchschnittlich 1393 Euro zu Buche. Entsprechend sinkt das Interesse: Dr. Klein, der zum Finanzdienstleister Hypoport gehört, vermittelte im dritten Quartal rund ein Viertel weniger Kredite als ein Jahr zuvor. Bis zur Jahresmitte war das Geschäft noch deutlich gewachsen.

Die schwache Nachfrage scheint auch bei den Kaufpreisen Wirkung zu zeigen. „Die Nachfrage nach Kaufimmobilien geht zurück und das Angebot an inserierten Immobilien steigt gleichzeitig“, schreibt Thomas Schäfer vom Portal Immowelt in einer Analyse. Laut einer Untersuchung des Portals sind in zwölf von 14 Großstädten die Preise im dritten Quartal gegenüber den Sommermonaten leicht gesunken.

Die durchschnittliche Darlehenshöhe sei von 299.000 Euro im August auf 286.000 im September gefallen. Wegen der weiter steigenden Zinsen „wird es aus unserer Sicht auch in Zukunft weitere Preiskorrekturen geben“.

Auf Dauer bleibt das Angebot knapp

FMH-Experte Herbst rechnet allerdings nicht mit einem nachhaltigen Abwärtstrend. Aktuell gebe es zum Teil ein Überangebot an Objekten, weil Verkäufer ihre Immobilie vor der erwarteten Marktschwäche noch loswerden wollten. Auf Dauer dagegen bleibe es beim knappen Angebot, während die Nachfrage weiter da sei.

Das sieht auch Michael Neumann so, Vorstandschef bei Dr. Klein: „Wer es sich fest vorgenommen hat, der verfolgt auch weiterhin sein Ziel vom Eigenheim – Inflation, steigenden Lebenshaltungskosten und aktuellen Energiepreisen zum Trotz.“

Weniger Geld für Tilgung, mehr für Zinsen

Um die Finanzierung trotz gestiegener Zinsen zu stemmen, wird an verschiedenen Schrauben gedreht. „Die Leute finanzieren jetzt anders“, sagt Max Herbst. So werde meist die anfängliche Tilgung gedrückt. In den vergangenen Jahren sei das Verhältnis ein Prozent Zins bei 3 Prozent Tilgung gewesen – „jetzt ist es eher andersherum“.
Nach Zahlen von Dr. Klein ist die Anfangstilgung von 2,7 Prozent vor einem Jahr auf nun 2 Prozent geschrumpft. „Allerdings bieten Kreditinstitute aktuell wieder vermehrt einprozentige Anfangstilgungen an“, erklärt Michael Neumann. Das war früher durchaus üblich – bei sehr viel niedrigeren Preisen und entsprechend kleineren Darlehen. Wer mit geringer Tilgung starte, könne als Ergänzung auf Sondertilgungen setzen, meint Neumann.

Etwas Geld lässt sich möglicherweise auch mit einer kürzeren Zinsbindung sparen. Meist ist ein Kredit umso teurer, je länger die Laufzeit ist. Aktuell legten viele Kreditkunden die Konditionen für 15 Jahre fest, sagt Herbst. Fünf Jahre wären billiger zu haben – bergen aber das Risiko, dass man 2027 eine noch teurere Verlängerung abschließen muss. Die Zinsentwicklung sei über Jahre kaum vorauszusagen, meint Herbst. Einen weiteren drastischen Anstieg hält er vom aktuellen Niveau aus allerdings für nicht sehr wahrscheinlich.

In den nächsten Monaten dürfte es aber noch einmal etwas aufwärts gehen. „Auch wenn die erwarteten Leitzinserhöhungen zum Teil bereits eingepreist sind, müssen Immobilienkäufer weiter mit leicht höheren Bauzinsen rechnen“, erklärt Mirjam Mohr, Vorständin beim Finanzierungsvermittler Interhyp.

Die Notenbanken dürften erst einmal bei der Straffung der Geldpolitik bleiben. Experten sind allerdings uneins, wie lange das anhalten wird. Die Anleihenexperten beim Vermögensmanager Bantleon rechnen damit, dass sich der Kurs Anfang nächsten Jahres schon wieder ändern könnte. Dann würden die Renditen von Staatsanleihen wieder etwas fallen – und an ihnen orientieren sich die Hypothekenzinsen.

Quelle: RedaktionsNetzwerk Deutschland