Dank der niedrigen Notenbank- und Anleihezinsen sind Immobilienkredite günstiger als je zuvor. Wie Hauskäufer und -besitzer jetzt davon profitieren.
Noch vor einem Jahr deuteten alle Vorzeichen darauf hin, dass die Ära historisch niedriger Zinsen, die uns Finanz- und Euro-Krise beschert hatten, zu Ende gehen würde. Die US-Notenbank hob munter die Leitzinsen an, die Europäischen Zentralbank zog sich aus der expansiven Geldpolitik zurück, Staatsanleihen brachten wieder Mini-Renditen. Und vor diesem Hintergrund waren auch die Bauzinsen ein kleines bisschen gestiegen. Doch diese Entwicklung hat sich seitdem umgekehrt.
Konjunktursorgen, Handelskonflikte, die hohe Staatsverschuldung in Italien und Griechenland sowie die Risiken aus dem bevorstehenden Brexit haben sowohl die US-Notenbank Fed als auch die Europäische Zentralbank (EZB) vorsichtig werden lassen. Um die Wirtschaft anzukurbeln, hat Fed-Chef Jerome Powell am Mittwochabend eine Zinssenkung verkündet. Auch die EZB bereitet die Märkte seit kurzem darauf vor, dass sie ihre lockere Geldpolitik länger aufrechterhalten will – zumal von der designierten EZB-Präsidentin Christine Lagarde ohnehin ein Festhalten an der Nullzinspolitik erwartet wird.
Bauzinsen auf Rekordtief
All das hat nun zu einem neuen Negativrekord geführt: Niemals in der Geschichte der Bundesrepublik waren die Zinsen für Baufinanzierungen so niedrig wie heute, Immobilienkredite war noch nie billiger zu bekommen. „Derzeit liegen die Zinsen für zehnjährige Darlehen oft deutlich unter einem Prozent pro Jahr, sogar rund 0,5 Prozent sind bei den Bestanbietern möglich“, erklärt Mirjam Mohr, Vorständin beim Finanzierungsvermittler Interhyp. Michael Neumann, Vorstandschef des Finanzierungsvermittlers Dr. Klein, verortet die Zinsen für die günstigsten Angebote für Immobiliendarlehen mit zehnjähriger Zinsbindung ebenfalls auf Rekordtief, allerdings bei 0,61 Prozent.
Vieles spricht dafür, dass das niedrige Zinsniveau für Immobilienkredite länger anhalten wird. Von der Interhyp regelmäßig befragte Experten rechnen überwiegend weiter mit Niedrigzinsen, auch über die nächsten sechs bis zwölf Monate hinaus. Vier von zehn Experten erwarten für diesen Zeitraum sogar noch weiter fallende Bauzinsen. „Einen Aufwärtstrend bei den Bauzinsen wird es erst dann geben, wenn Lösungen für die politischen und wirtschaftlichen Probleme absehbar sind, die Wirtschaft deutlich Fahrt aufnimmt und die Inflation sich der Zielmarke der EZB von zwei Prozent annähert“, konstatiert Zinskenner Neumann. „Dieses Szenario ist kurz- und mittelfristig unwahrscheinlich.“
„Für Menschen mit einem aktuellen Finanzierungsbedarf sind das gute Nachrichten. Vor fünf oder zehn Jahren waren Baufinanzierungen noch deutlich teurer“, erinnert sich Mohr. Damals kostete ein Baudarlehen mit zehnjähriger Zinsbindung im Durchschnitt noch 4,5 Prozent Zinsen.
Wer nun also Haus oder Wohnung kaufen oder bauen möchte, findet zumindest auf der Finanzierungsseite Idealbedingungen vor. Schwieriger sind da schon die Objektsuche und die hohen Immobilienpreise.
Am meisten dürften sich Immobilieneigentümer freuen, die gerade eine Anschlussfinanzierung für ihr Baudarlehen suchen oder nach Ablauf von zehn Jahren vorzeitig kündigen können. Sie profitieren davon, dass ihre Restschuld in den vergangenen zehn Jahren schon gesunken ist und ihre Zinsbelastung beim Folgekredit deutlich niedriger ausfällt. Sie können die Zinsersparnis etwa für eine deutlich schnellere Tilgung ihrer Schulden nutzen. Da die Zinsentwicklung darüber hinaus den Effekt hat, dass sich Sparen mit Festzins kaum lohnt, ist die Rückzahlung von Kreditschulden oft das rentabelste Investment.
Quelle: Wirtschaftswoche