Mi, 20.07.2022
Alarmsignal vom Immobilienmarkt?

Es scheint eine gute Nachricht zu sein, dass selbst in den deutschen Metropolen die Immobilienpreise sinken. Doch es werden auch Erinnerungen an das Platzen der Immobilienblase in den 2000er Jahren wach.

Immer höhere Preise für Wohnimmobilien, vor allem in den Metropolen: Daran hatte man sich schon gewöhnt. Aber Experten beobachten seit einiger Zeit eine andere Entwicklung. Die Preise gehen runter, sagt einer, der es aus erster Hand weiß: Thomas Schroeter, Chef von ImmoScout24, einem der großen Online-Immobilienportale in Deutschland. „Wir sehen, dass tatsächlich die Preise zu fallen beginnen, das gilt insbesondere für die Metropolen“, so Schroeter. „Berlin ist relativ stabil, aber in Düsseldorf, Hamburg, Köln, München, Stuttgart sehen wir Preisrückgänge: je nach Metropole von bis zu fünf Prozent.“

Fallende Immobilienpreise – wenn auch nicht überall in Deutschland: Das ist neu. Von einer Trendwende, gar einem Ende des Boom, sprechen jetzt sogar viele aus der Branche. Und das hat mehrere Gründe, erklärt Immobilienanalyst Stefan Mitropoulos von der Landesbank Hessen-Thüringen. Er sieht in der Zinsentwicklung die derzeit wahrscheinlich größte Herausforderung für den deutschen Wohnungsmarkt. „Wir haben einen sehr kräftigen Anstieg gesehen in sehr kurzer Zeit. Allerdings – dass muss man natürlich auch sehen – von einem historisch niedrigen Niveau“, so Mitropoulos.

Regulierung bewahrt den Markt vor Schieflage

Seit Anfang des Jahres haben sich die Bauzinsen mehr als verdreifacht auf aktuell 3,1 Prozent für einen Zehn-Jahres-Kredit. Dabei hat die EZB die Zinsen noch gar nicht erhöht, aber am Immobilienmarkt wurde die Entwicklung wegen der hohen Inflation schon vorweggenommen. Viele Menschen überlegen sich jetzt zwei Mal, ob sie noch bauen sollen. Die Nachfrage geht zurück, denn die Finanzierung wird dadurch erheblich teurer. Hinzu kommen noch gestiegenen Baukosten. Das führt wiederum dazu, dass auch die Banken genauer hinschauen. Sie haben ihre Vergaberichtlinien bei Wohnungsbaukrediten erheblich verschärft.

Geht vom Immobilienmarkt etwa wieder eine Gefahr aus – angesichts sinkender Immobilienpreise und teurer Kredite? Steffen Sebastian vom Lehrstuhl für Immobilienfinanzierung an der Uni Regensburg sieht das noch nicht. „Wir haben einfach in Deutschland und mittlerweile auch in Europa eine sehr gute Regulierung, sodass ich schon davon ausgehe, dass sowohl die Banken, als auch die privaten Immobilienfinanzierer grundsätzlich einen moderaten Preisrückgang ohne Probleme verkraften können.“

Andere Finanzierungsmodelle in den USA

In den USA sind die Sorgen dagegen größer. Dort ist der Zinssatz für eine 30-jährige Hypothek schon auf mehr als fünf Prozent gestiegen – so stark wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Auch die Finanzierung unterscheide sich erheblich von der in Europa, erklärt Ralph Henger vom Institut der deutschen Wirtschaft IW: „Dort finanziert man in der Regel variabel. Steigende Zinsen führen dort dazu, dass jemand aussteigen muss – gegebenenfalls, weil er die Kredite nicht mehr bedienen kann.“

Es drohen also in weitaus größerem Maße Kreditausfälle als in Deutschland. Sorgen bereiten auch die US-Baugenehmigungen, sie gehen deutlich zurück – genauso wie die Zahl der Baubeginne, die auf ein Neun-Monats-Tief gefallen sind. All das führt dazu, dass die Lage auf dem US-Immobilienmarkt deutlich angespannter ist. In Deutschland dagegen erwarten viele Experten in den nächsten Monaten eine Korrektur – mehr aber auch erstmal nicht.

Quelle: tagesschau