Mi, 09.06.2021
Wird die Solardachpflicht bei Neubauten schon 2022 zur Regel?

Die Bundesregierung will Solaranlagen auf neuen Häusern und bei „größeren“ Dachsanierungen ab 2022 zur Pflicht machen. Das steht in einem Entwurf für ein „Klimaschutz Sofortprogramm“, den das Kabinett am 23. Juni verabschieden will. Auch höhere Energiestandards sollen gelten.

Das Bundesfinanzministerium will Photovoltaik- und Solarthermieanlagen ab 2022 verpflichtend machen. So steht es in dem Entwurf zu einem „Klimaschutz-Sofortprogramm 2022“, über den zuerst „Bild“ berichtete. Demnach müssen schon ab 2022 auf Dächern von Neubauten Solaranlagen installiert werden, bei „größeren Dachsanierungen“ bei Bestandsbauten soll die Regelung ab 2023 greifen. Bei dem als vertraulich markierten Entwurf handele es sich um einen Zwischenstand, der sich derzeit in der Ressortabstimmung befinde. Am 23. Juni soll der Entwurf in seiner endgültigen Fassung im Kabinett verabschiedet werden, heißt es da.

Klimaschutz-Sofortprogramm: Hohe Energieeffizienz-Standards & Förderverbot für fossile Heizungen

Auch höhere Energiestandards sind in dem Vorschlag aus dem Hause von Finanzminster Olaf Scholz (SPD) wohl enthalten. Ab 2023 sollen alle Neubauten den Energieeffizienz-Standard EH-55 erfüllen, für 2025 soll der noch höhere Standard EH-40 gelten. Das heißt konkret: Neubauten dürften dann in vier Jahren nur noch maximal 40 Prozent der Energie eines Standardgebäudes verbrauchen.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) sind Details, die im Klimaschutz-Sofortprogramm verankert werden sollen, noch Gegenstand von Verhandlungen. Welche der Maßnahmen noch in dieser Legislaturperiode in Kraft treten können, ist derzeit unklar.

Das Bundeskabinett hatte Mitte Mai neben dem Entwurf für ein geändertes Klimaschutzgesetz ein Sonderprogramm (auch „Klimapakt“) mit Maßnahmen zur Umsetzung der neuen Klimaziele auf den Weg gebracht und darin unter anderem die genannten hohen Standards bereits angekündigt.

Verschärftes Klimaschutzgesetz: „Net Zero“ bis 2045

Bis 2030 sollen die CO2-Emissionen im Vergleich zum Referenzjahr 1990 um 65 Prozent statt wie bislang geplant um 55 Prozent gesenkt werden. Bis 2040 soll die Treibhausgasminderung bei 88 Prozent liegen. Dieser Zwischenschritt wurde neu gesetzt. Und für 2045 – statt wie zunächst anvisiert bis 2050 – soll Deutschland klimaneutral sein.

Das ist Kern des Referentenentwurfs aus dem Bundesumweltminsterium für eine Novelle des Klimaschutzgesetzes, dem das Kabinett am 12.5.2021 zugestimmt hat. Um alleine das Etappenziel bis 2030 erreichen zu können, müsste die energetische Sanierungsrate ab 2023 auf 1,6 bis 1,9 Prozent pro Jahr verdoppelt werden, geht aus einer Grafik der Boston Consulting Group (BCG) hervor, die der Redaktion vorliegt – außerdem dürften ab 2023 beim Austausch oder Neubau auch keine neuen Öl- oder Gasheizungen mehr installiert werden.

Ein Extra-Beschluss, der das Bundes-Klimagesetz begleitet, sieht neben den erwähnten höheren Energieffizienz-Standards bereits vor, dass der Bund ab 2023 keine Heizungen mehr fördern darf, die ausschließlich mit fossilen Brennstoffen betrieben werden können, und dass Vermieter künftig die Hälfte der Kosten bei dem seit Anfang 2021 geltenden sogenannten CO2-Preis auf Heizöl und Gas übernehmen müssen. Besonders diese Position ist zwischen Union und SPD hart umkämpft.

Immobilienbranche: Ohne Fördergeld kein Klimaschutz in Gebäuden

Immobilienwirtschaft und Wohnungswirtschaft sehen mit dem verschärften Klimaschutzgesetz große Herausforderungen auf die Branche zukommen. Klimaneutralität für Wohnungen werde nur mit erheblichem finanziellen Aufwand möglich und umsetzbar sein, sagte Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW. Die energetische Sanierung gehöre zu den kostenaufwändigsten Maßnahmen beim Klimaschutz und die Nutzung erneuerbarer Energien sei durchweg teurer, als die Verwendung fossiler Energie.

Die Klimaziele müssten für die nachhaltig agierenden Wohnungsunternehmen ökonomisch machbar und für Mieter sozial abgefedert sein. „Deshalb brauchen Gebäudeeigentümer in Deutschland einen langfristigen Rechtsanspruch auf Förderung für Klimaschutzmaßnahmen, die am Ende den Mietern eine Garantie auf eine annähernd warmmietenneutrale energetische Sanierung ermöglicht“, forderte Gedaschko. Die Wohnungswirtschaft mache sich angesichts des Tempos, in dem aktuell neue Regelungen wie das Klimagesetz ohne finanzielle und soziale Folgenabschätzung getroffen werden, ernsthaft Sorgen um Mieter und Vermieter.

Andreas Mattner, Präsident des Zentralen Immobilien Ausschuss ZIA, mahnte darüber hinaus an, die richtigen, technologieoffenen und wirkungsvollen Methoden zum Klimaschutz anzuwenden. „Wer zum Beispiel mehr Dämmung bei Gewerbeimmobilien fordert, wird höhere Kühlkosten ernten“, so der ZIA-Chef. Daher müsse die Bundesregierung die Innovationspartnerschaft zwischen Verwaltung und Branche aus der vorigen Legislatur wieder aktivieren. Der ZIA lege zudem Wert darauf, dass das Aufkommen aus der CO2-Bepreisung im Gebäudesektor nicht ausschließlich zur Senkung der EEG-Umlage genutzt und somit zweckentfremdet wird. „Der Gebäudesektor muss auch aus diesen Mitteln Unterstützung für dieses ambitionierte Projekt erhalten“, so Mattner abschließend.

Klimaschutzgesetz 2021: Eine Reaktion auf einen BVerfG-Beschluss

Das alte Klimaschutzgesetz (KSG) war im Dezember 2019 verabschiedet worden. Am 24.3.2021 entschied das Bundesverfassungsgericht (BVerfG), dass dieses Gesetz die Klimaziele nur unzureichend regelt. Moniert wurde vor allem, dass klar definierte Vorgaben für die Minderung der CO2-Emissionen nach 2030 fehlten. Die im KSG 2019 getroffenen Regelungen bis zum Jahr 2030 sind verfassungsgemäß. Der Gesetzgeber wurde verpflichtet, bis Ende 2022 nachzubessern.

Im Klimaschutzgesetz 2021 wurden die Klimaschutzziele nach 2030 festgelegt und die Sektorziele angepasst. Zu den Maßnahmen gehören „in einer ausgewogenen Kombination Anreize, Regeln und Förderung aus dem Bundeshaushalt“, teilte das federführende Bundesumweltministerium (BMU) mit. Ein Sofortprogramm mit ersten Schritten zur Umsetzung der Klimaziele sollte eigentlich im Mai 2021 auf den Weg gebracht werden, jetzt ist der 23.6.2021 angepeilt.

Die Europäische Union hatte das Klimaziel bis 2030 zuvor von 40 Prozent auf 55 Prozent angehoben. Auf europäischer Ebene will die Kommission im Juli 2021 konkrete Vorschläge zu europäischen Maßnahmen für mehr Klimaschutz machen, die bis Ende des Jahres finalisiert werden sollen. Das novellierte Bundes-Klimaschutzgesetz sieht daher eine Evaluierung im Jahr 2022 vor. Wie die konkreten Minderungsziele ab 2030, die das Gesetz für jedes einzelne Jahr festlegt, zwischen den Sektoren aufgeteilt werden, soll 2024 entschieden werden. Ein Expertenrat für Klimafragen soll alle zwei Jahre einen Bericht über die bisherige Zielerreichung und über Trends vorlegen, teilte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) mit.

Quelle: Haufe Online Redaktion