Di, 19.05.2020
Warten auf den „Big Bang“ am Häusermarkt

In New York freuen sich Immobilienkäufer bereits über Preisnachlässe von bis zu 50 Prozent. Auch in Deutschland hat sich der Markt deutlich abgekühlt. Ist das eine vorübergehende Folge des Lockdowns – oder ein Vorbote dessen, was Käufer und Verkäufer in den nächsten Monaten noch erwartet?

In der Corona-Pandemie scheint der Moment, dass die jahrelange Preisrally auf dem Immobilienmarkt ein jähes Ende findet, deutlich näherzurücken: Erste Vorboten kommen vom Tummelplatz der Reichen in New York. Hier im Hotspot für Luxusimmobilien sind die Preise in den vergangenen Wochen sichtlich in den Keller gerauscht. In Deutschland sieht die Lage zwar noch etwas anders aus. Doch auch hier sind die Bremsspuren auf dem heiß gelaufenem Häusermarkt nicht mehr zu übersehen.

„New York ist für Käufer gerade ein Paradies“, sagt Luxus-Makler Sebastian Steinau. „Seit langer Zeit rechnen hier alle mit dem großen Knall“. Der Mann aus dem Sauerland ist überzeugt: „Jetzt ist er da.“ Steinau arbeitet für den großen New Yorker Immobilienkonzern Corcoran. Wer lange genug wartet, hat gute Chancen, ein Schnäppchen zu ergattern, erzählt der 41-Jährige der „Welt am Sonntag“.

900 Quadratmeter, fünf Zimmer, sechs Bäder, separater Eingang für Dienstboten sowie Whirlpool mit Blick über das angesagte Viertel Chelsea auf der schicken Upper East Side für 25 Millionen Dollar. Vier Jahre hat ein Interessent aus Osteuropa angeblich auf dieses für ihn erschwingliche Angebot gewartet. Seine Geduld hat sich ausgezahlt. Vor vier Jahren wollte der Eigentümer noch 50 Millionen Dollar für die Immobilie. Angeblich ist das kein Einzelfall. Dass die Preise in New York nicht nur bei Luxusimmobilien purzeln, bei gleichzeitig historisch niedrigen Zinsen für Hypothekenkredite, weckt Vorahnungen. Die Corona-Krise hat durchaus das Potenzial, die Preise noch weiter zu drücken.

Dabei gelten Immobilienmärkte als sehr stabil und viel robuster als Aktien- oder Anleihemärkte. Selbst Katastrophen wie die Terroranschläge vom 11. September 2001 oder die Finanzkrise 2008 konnten den Häuserpreisen in der Vergangenheit nicht so viel anhaben, wie jetzt die Pandemie. Maximal um 25 Prozent rauschten die Preise jeweils in den Keller. In den letzten beiden Märzwochen – zu der Zeit war die Epidemie noch ganz am Anfang – lag der Durchschnittspreis für Immobilien in New York laut der Immobilienfirma Douglas Elliman bereits elf Prozent unter den Preisen der Vor-Corona-Zeit. Für den Horrormonat April, als die Toten in Zelten gestapelt werden mussten, gibt es noch keine Daten. Man darf aber wohl davon ausgehen, dass die Preise seitdem eher weiter gefallen sind.

Und genau dieser Trend könnte noch auf unbestimmte Zeit anhalten. Rezession, Kurzarbeit, steigende Arbeitslosigkeit – kein Mensch weiß, was noch passieren wird. Keiner kann sagen, wann die Pandemie vorüber ist. Die Unsicherheit bei den Menschen ist groß – noch viel größer als bei früheren Katastrophen. Selbst an den Superreichen geht die Krise nicht spurlos vorbei. Das US-Magazin „Forbes“ zählte Mitte März 2095 Milliardäre – 58 weniger als im Vorjahr. Und jeder zweite von ihnen ist durch Corona und die starken Verluste an den Finanzmärkten weniger vermögend als im Vorjahr. Selbst US-Präsident Donald Trump war vor dem Corona-Crash nicht gefeit. Das Vermögen des Immobilien-Tycoons schrumpfte binnen eines Monats um eine Milliarde auf 2,1 Milliarden Dollar.

Sind Anlagen in Immobilien hierzulande sicher?
Auch am deutschen Häusermarkt sind die Corona-Spuren inzwischen nicht mehr zu übersehen – auch wenn die Preise deutlich stabiler sind als die in den USA. Der Markt hierzulande sei nicht von der Corona-Krise betroffen, teilte die Online-Plattform Immoscout24 Ende April mit. „Sowohl das Angebot als auch die Miet- und Kaufpreise entwickeln sich sehr konstant auf hohem Niveau“. Immobilien seien „eine sichere Anlageform und der deutsche Immobilienmarkt ist stabil und hochdynamisch“, hieß es in der Jubelmeldung.

Tatsächlich sind die Preise im ersten Quartal auf ein neues Rekordniveau gestiegen. Gleichzeitig stellen Immobilienexperten aber eine wichtige Veränderung fest: Mit Transaktionen von 2,3 Milliarden Euro bei Wohn- und Gewerbeimmobilien war der April der umsatzschwächste Monat seit 2012, schreibt das „Handelsblatt“ unter Berufung auf Daten des Dienstleisters Savills. Demnach gaben Immobilienfirmen in einer Umfrage an, in den vergangenen acht Wochen 50 Prozent ihres Umsatzes eingebüßt zu haben. Dabei spiegelt der gewerbliche Immobilienmarkt besonders deutlich die Kaufzurückhaltung der Kunden, er hängt unmittelbarer an der Konjunktur als der Markt für Wohnimmobilien. Der Nachfragerückgang müsste sich irgendwann auch auf die Preise auswirken.

Noch sind die Experten jedoch uneins, was das zweite Halbjahr bringen wird. Studien zufolge könnte die Corona-Krise auch hierzulande die Immobilienpreise ins Rutschen bringen. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) beispielsweise rechnet mit Preisrückgängen am Wohnimmobilienmarkt von bis zu zwölf Prozent. Angesichts von möglichen Insolvenzen und steigender Arbeitslosigkeit dürften die Mietpreiserwartungen sinken, weil den Haushalten weniger Einkommen zur Verfügung stünde, zitiert die „Welt am Sonntag“ aus einer IW-Studie. „Dies könne sich tendenziell negativ auf die Wohnungspreise auswirken.“ Das Forschungsinstitut Empirica rechnet sogar mit einem Preisrutsch von bis zu 25 Prozent.

Lediglich vorübergehend sinkende Immobilienpreise wegen der Corona-Pandemie prognostizieren dagegen die Experten der Deutschen Bank. Angesichts der eingebrochenen Aktienmärkte dürften Investoren mittelfristig erst Recht Geld in die als solide geltenden deutschen Wohnimmobilien stecken, meinen sie. Die Flucht in sichere Anlagen werde bei Wohnungen und Häusern „tendenziell preissteigernd wirken“.

Die Zinsen sind niedrig, die Anleiherenditen durch die Kaufprogramme der Europäischen Zentralbank auch. In solchen Zeiten setzen Anleger traditionell auf renditeträchtigere Alternativen, dazu gehören Immobilien. Grund genug auch für den Präsidenten des Immobilienverbandes Deutschland, Jürgen Michael Schick, optimistisch in die Zukunft zu blicken: „Wir gehen davon aus, dass die Kaufentscheidungen nicht aufgehoben, sondern aufgeschoben sind.“ Sicher sein kann sich da bislang niemand.

Quelle: ntv.de