Mo, 23.05.2022
Platz für neue Wohnungen ist da, jetzt ist Fantasie gefragt

Die Bundesregierung will pro Jahr 400.000 Wohnungen bauen. Platz ist da, wie eine Studie zeigt. Neue Flächen müssten kaum versiegelt werden. Kurzfristig könnten zirka 53.000 Hektar Bauland im Innenbereich von Städten und Gemeinden aktiviert werden. Etwa Baulücken bieten beträchtliches Potenzial.

Mindestens 99.000 Hektar Bauland könnte in Deutschland kurzfristig nutzbar gemacht werden, heißt es in einer Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). Das entspricht der Größe von 140.000 Fußballfeldern.

Davon sind nach Angaben der Kommunen rund zwei Drittel für Wohnungsbau vorgesehen. Auf diesen Flächen ließen sich nach konservativen Schätzungen zwischen 900.000 bis zu zwei Millionen Wohneinheiten bauen – bei einer dichteren Bebauung sogar bis zu vier Millionen Wohneinheiten. Dabei bestehen erhebliche Flächenpotenziale nicht nur in ländlichen, sondern auch in den Wachstumsregionen, heißt es in der Studie. Etwa 53.000 Hektar Fläche seien im Innenbereich von Städten und Gemeinden ohne größeren Aufwand baureif.

Brachflächen und Baulücken klug nutzen

Die Ampel-Regierung hat sich vorgenommen, pro Jahr 400.000 neue Wohnungen zu bauen, davon 100.000 öffentlich gefördert. Dieses Ziel lasse sich erreichen, ohne dabei großartig zusätzliche Fläche außerhalb von besiedelten Gebieten zu verbrauchen, sagte Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) bei Vorstellung der Studie am 29. März in Berlin. „Wir können es uns ökonomisch und ökologisch nicht leisten, Flächen zu verschwenden.“ Es könnten täglich zirka 30 Hektar neue Flächen eingespart werden, derzeit wären es 54 Hektar täglich, die versiegelt würden. Die Politikerin warb für das kluge Nutzen von Brachflächen und Baulücken.

Laut Geywitz liegt das verfügbare Bauland sowohl in ländlichen Gegenden als auch in Ballungsräumen. „Wir haben Potenzial, vom Norden bis in den Süden, vom Osten aber auch bis in den Westen.“ Der Studie zufolge gibt es in Landkreisen mit höherem Bedarf tendenziell zwar seltener Städte und Gemeinden mit vielen freien Flächen, generell lasse sich aber sagen, dass das vorhandene Potenzial auch da sei, wo es gebraucht werden, wie Markus Eltges, Leiter des BBSR, betonte. Allein in den kreisfreien Großstädten könnten abhängig von der Bebauungsdichte zwischen 370.000 und 740.000 Wohnungen entstehen. Der Heidelberger Oberbürgermeister und Vizepräsident des Deutschen Städtetags, Eckart Würzner, ergänzte: Bauen „auf der grünen Wiese“ außerhalb der Städte sei zunächst nicht nötig.

Hunderttausende Wohnungen durch Aufstockung und Umwandlung

In Großstädten mit besonders hoher Nachfrage müsse man aber auch auf bereits genutzten Flächen bauen, sagte Eltges. Das bedeute Gebäude aufstocken, Dachgeschosse und Keller ausbauen, Discounter über- und Innenhöfe bebauen. So ließen sich noch einmal mehrere Hunderttausend Wohnungen realisieren. Geywitz wies darauf hin, dass durch die vermehrte Umstellung auf Homeoffice auch Büroflächen in Wohnraum umgewandelt werden könnten.

„Land zum Bauen ist da. Jetzt kommt es auf den gemeinsamen Willen an, so viel bezahlbares Wohnen wie möglich zügig auf den Wohnungsmarkt zu bringen“, betonte Geywitz. Städtetagsvertreter Würzner forderte eine dauerhafte Förderung des sozialen Wohnungsbaus durch Bund und Länder. Außerdem müsse das Baurecht „entrümpelt“ werden. „Sofort nutzbare Bauflächen dürfen nicht aus Spekulationszwecken liegengelassen werden.“

Digitaler Bauantrag und „Genehmigungsbooster“

„Die Ergebnisse der Baulandstudie stimmen hoffnungsvoll. Nun haben wir kein Erkenntnisproblem mehr, sondern ein Umsetzung- und Aktvierungsthema“, kommentierte Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW die Zahlen. „Nun kommt es darauf an, hieraus auch wirklich so viel bezahlbaren Wohnraum wie möglich zu machen. Wir setzen in diesem Zusammenhang sehr stark auf das von Bundesbauministerin Klara Geywitz angekündigte Bündnis für bezahlbares Wohnen, das sich am 27. April erstmals trifft“, sagte Gedaschko.

Der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen forderte die Kommunen auf, schnell und effizient Bauland auszuweisen und Baugenehmigungen zu erteilen. „Der digitale Bauantrag ist da ein gutes Instrument, wenn er denn tatsächlich kommt“, sagte BFW-Präsident Andreas Ibel. Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie forderte einen „Planungs- und Genehmigungsbooster“. Hauptgeschäftsführer Tim-Oliver Müller wies außerdem darauf hin, dass Materialengpässe durch den Ukraine-Krieg zunehmend Probleme auf den Baustellen bereiteten – Baustopps für eine Vielzahl von Projekten nicht ausgschlossen. Internationale Lieferketten müssten dringend überprüft werden.

BBSR-Bauland-Studie

Deutschlandweit wurden für die BBSR-Studie knapp 3.000 Städte und Gemeinden befragt. Auf Basis der Antworten von zirka 700 Kommunen errechneten Forscher vom Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR) und dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) bundesweit und regional differenziert die als Bauland verfügbaren Flächen, ermittelten die darauf realisierbaren Wohneinheiten und kalkulierten, wie sich der Wohnraumbedarf mit den vorhandenen Flächen realisieren ließe. Das BBSR wurde vom Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) beauftragt, das damit einem Appell der früheren Baulandkomission folgte, für verbesserte Datengrundlagen zu sorgen.

Quelle: Haufe Online Redaktion