Do, 03.12.2020
Justizministerin Lambrecht nimmt unkooperative Vermieter ins Visier

Nur ein Teil der Gewerbevermieter gewährt in der Coronakrise seinen Mietern Erleichterungen. Justizministerin Lambrecht sorgt nun für eine gesetzliche Klarstellung.

Berlin. In der Coronakrise springt Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) Gewerbemietern bei Konflikten mit unkooperativen Vermietern zur Seite. Sie wolle für Gewerbemiet- und Pachtverhältnisse „gesetzlich klarstellen, dass Beschränkungen infolge der Covid-19-Pandemie regelmäßig eine Störung der Geschäftsgrundlage darstellen“, sagte Lambrecht dem Handelsblatt.

„Dadurch wird die Verhandlungsposition der Gewerbemieter und Pächter gestärkt.“ Konkret will Lambrecht im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch eine entsprechende Regelung aufnehmen.

Hier wurde bereits im März befristet bis Ende Juni ein pandemiebedingter Sonderkündigungsschutz für Mieter bei Zahlungsrückständen festgeschrieben. Derzeit ist rechtlich unklar, inwieweit sich Gewerbemieter, die von staatlichen Schließungsmaßnahmen durch Corona betroffen sind, auf den Paragrafen 536 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zur Mietminderung oder auf den Paragrafen 313 zur Störung der Geschäftsgrundlage berufen können.

Auf letzteren will sich nun Lambrecht mit ihrer Klarstellung beziehen. Dadurch würden flexible Vertragsanpassungen zwischen Mieter und Vermieter möglich. Ihren Vorstoß begründete die Ministerin damit, dass einige Gewerbemieter in den vergangenen Wochen und Monaten an ihre Vermieter herangetreten seien, um eine Anpassung bei der Miete zu erreichen.

Die Rückmeldungen aus der Praxis zeigten, dass sich nur ein Teil der Vermieter als kooperativ erweise und zu Verhandlungen bereit sei. Laut Lambrecht haben seit Beginn der Corona-Pandemie viele Gewerbetreibende ihre angemieteten Gewerberäume wegen der pandemiebedingten Beschränkungen gar nicht oder nur sehr eingeschränkt nutzen können.

Rechtsunsicherheiten bei Betroffenen
Um die Umsatzeinbußen abfedern zu können, habe die Bundesregierung Hilfen auf den Weg gebracht. Daneben bestünden heute schon rechtliche Möglichkeiten, um eine Absenkung der Mieten durchzusetzen: „Dies betrifft beispielsweise Rechte auf Mietminderung bei Mängeln der Mietsache oder Ansprüche auf Vertragsanpassung wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage.“

Die Gerichte hätten in den vergangenen Wochen erste, erstinstanzliche Urteile gefällt, in denen die Voraussetzungen dieser Instrumente geprüft und teilweise auch bejaht worden seien.

Gleichwohl sei eine „Rechtsunsicherheit bei Teilen der betroffenen Miet- und Pachtvertragsparteien“ zu beobachten, weshalb eine gesetzliche Klarstellung zu möglichen Corona-Notlagen notwendig sei.

Tatsächlich entschied etwa das Landgericht Frankfurt am Main mit Blick auf ein Textil-Einzelhandelsgeschäft, dass die staatlich verordnete Schließung keinen Mangel darstelle und somit keine Mietminderungen rechtfertige.

Eine Störung der Geschäftsgrundlage sahen die Richter ebenfalls nicht (Az. 2—15 O 23/20). Das Landgericht München stufte hingegen die Corona-Schließungen als Mietmangel ein (Az. 3 O 4495/20).

Deutsche Mieterbund begrüßt Lambrechts Forderung
Angeführt wurde unter anderem eine Entscheidung des Reichsgerichts von 1915. Hier ging es um eine Tanzbar, deren Betrieb nach Beginn des Ersten Weltkriegs polizeilich eingeschränkt wurde. Dadurch seien die Räume „mit einem die Tauglichkeit zu der vertragsgemäßen Nutzung mindernden Fehler behaftet“ worden.

Darum sei der Minderungsanspruch der Kläger gerechtfertigt. Auch im aktuellen Fall durften die Ladenmieter ihre Miete deutlich mindern. „Die Unmöglichkeit des vertragsgemäßen Gebrauchs haben die Gerichte in der Coronakrise aber nur sehr selten festgestellt“, erklärt Rechtsprofessor Tim Drygala von der Universität Leipzig

Er hält darum vor allem Vereinbarungen auf freiwilliger Basis zwischen Mieter und Vermieter für erfolgversprechend: „Die Vermieter erkennen auch zunehmend, dass sie in der Krise so schnell keine Nachmieter finden.“ Das eröffne Raum für Zugeständnisse.

Der Deutsche Mieterbund setzt auf eine Anpassung der Gewerbemieten in Pandemiezeiten durch Ministerin Lambrecht. „Wir begrüßen ihr Vorhaben, gesetzlich klarzustellen, dass eine staatlich verordnete Schließung von Geschäftsräumen eine Mietanpassung zur Folge haben kann“, sagte Verbandspräsident Lukas Siebenkotten dem Handelsblatt.

Denn nur so seien auch die Gewerbemieter „effektiv geschützt“, die nicht mit dem Entgegenkommen ihrer Vermieter rechnen können. Neben der gesetzlichen Klarstellung plant Lambrecht auch eine „verfahrensrechtliche Regelung zur Beschleunigung von Gerichtsverfahren über die Anpassung der Gewerbemiete infolge der Covid-19-Pandemie“. Mit der Beschleunigung, so erklärt die Ministerin „kann dann im Einzelfall schnell Rechtssicherheit erzielt werden, wenn die Fälle vor Gericht gehen sollen“.

Quelle: Handelsblatt