Do, 21.05.2020
Jetzt muss der Staat seine unverschämte Steuer-Orgie aufgeben

Ein neues Gesetz schreibt vor, dass Käufer künftig nicht mehr Maklergebühren zahlen als Verkäufer. Eine Erleichterung beim Erwerb von Wohneigentum. Die Milliarden aus der Grunderwerbsteuer lässt der Staat aber lieber unangetastet. Das muss sich ändern.

Wer in Deutschland Wohneigentum kaufen möchte, muss erst einmal mehrere Zehntausend Euro für die Nebenkosten aufbringen. Immobilienmakler, Bundesländer, Notare und Ämter halten die Hand auf und bekommen zusammen bis zu 15 Prozent des Kaufpreises, noch bevor dem Käufer auch nur ein einziger Quadratmeter Haus, Wohnung oder Grundstück gehört. Die Kaufnebenkosten sind nirgendwo in Europa so hoch wie in der Bundesrepublik.

Weil diese Nebenkosten zudem nicht pauschal, sondern als Prozentsatz vom Kaufpreis berechnet werden, profitieren die oben genannten Akteure enorm vom anhaltenden Immobilienboom. Früher genügten für eine normale Dreizimmerwohnung rund 20.000 Euro, um die Nebenkostenrechnung zu begleichen. Heute sind es 40.000 Euro. Dabei hat sich weder für Vermittler noch für Beglaubiger oder für Grundbuchämter der Aufwand erhöht.

Der Nebenkostenboom treibt einen Keil in die Gesellschaft. Denn um diese finanzielle Einstiegshürde zu überspringen, benötigt man immer mehr Cash auf dem Konto, das jedoch nur jene Haushalte mitbringen, die entweder sehr hohe Einkommen vorweisen können – oder eine Erbschaft. Oder hilfsbereite Eltern. Alle anderen Normalverdiener mit Normalfamilien sind abgehängt. Durch fleißiges Sparen und ein bescheidenes Leben das Kapital zu bilden, ist ebenfalls kaum möglich, angesichts von null Prozent Zinsen. Wohneigentum gibt es im Prinzip nur noch für Reiche.

Bundesweit soll jetzt die Provision geteilt werden
Nur ein Beispiel: Wer eine 400.000 Euro teure Wohnung in Berlin kaufen möchte – ein in der Hauptstadt inzwischen günstiges Preisniveau –, benötigt rund 60.000 Euro, um die Nebenkosten zahlen zu können. Die finanzierende Bank möchte wenigstens zehn Prozent Eigenkapital für den Kredit – das macht weitere 40.000 Euro. Wer also keine 100.000 Euro auf dem Konto hat, scheidet aus. Das trifft laut sozioökonomischem Panel auf mindestens 90 Prozent der deutschen Haushalte zu.

Wenigstens bei den Maklerkosten könnte es in Zukunft eine Erleichterung geben. Wenn man es optimistisch sieht. Ein am Donnerstag im Bundestag beschlossenes Gesetz schreibt vor, dass Käufer künftig nicht mehr Courtage zahlen müssen als Verkäufer. Es läuft damit auf eine Teilung der Provision zwischen den Parteien bundesweit hinaus. Der oben beschriebene Käufer könnte in Berlin also schätzungsweise 15.000 Euro sparen und für die Finanzierung einsetzen. In vielen Bundesländern gibt es bereits traditionsgemäß eine Aufteilung. Doch in stark gefragten Regionen verzichten Makler trotzdem auf den Verkäuferanteil, um den Vermittlungsauftrag zu bekommen. Der volle Käuferanteil reicht ihnen meistens, allein schon wegen der gestiegenen Preise.

Künftig haben Verkäufer nun also einen gewissen Anreiz, über die Provision zu verhandeln. Zum ersten Mal seit vielen Jahrzehnten gilt damit so etwas wie ein marktwirtschaftliches Prinzip bei der Maklercourtage. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Bisher haben Käufer kaum eine Chance, über die Provision zu verhandeln. Sie müssen das hinnehmen, was Verkäufer und Makler untereinander vereinbart haben, und zahlen nicht selten Zehntausende Euro als Eintrittsgeld. Juristen nennen das eine geschäftliche Verabredung zwischen zwei Parteien zulasten Dritter. Ökonomen sprechen von einem objektbezogenen Monopol.

Es könnte sein, dass auch in den Bundesländern, in denen sich Käufer und Verkäufer schon heute die Provision teilen (jedenfalls offiziell), die Courtagesätze insgesamt sinken, weil Verkäufer ein stärkeres Interesse haben werden, die Provision nach unten zu verhandeln. Garantiert ist das nicht. Denn schon heute zahlen viele Makler im Nachhinein dem Auftraggeber einen Kick-back, eine Art Rückzahlung der Courtage. Das kann auch das neue Gesetz nicht ausschließen. Und auch unter dem neuen Gesetz haben Käufer keinerlei Einflussmöglichkeit auf die Höhe der Provision.

Die bessere und tatsächlich marktwirtschaftliche Lösung wäre deshalb ein echtes Bestellerprinzip gewesen, bei dem nur der Auftraggeber den Makler zahlt. Denn nur der Auftraggeber kann über Preis und Leistung verhandeln. In anderen europäischen Staaten ist so etwas längst üblich und hat zu sinkenden Makler- und Nebenkosten geführt. Jetzt jedoch hat sich die Maklerlobby durchgesetzt – und frohlockt, was man den ersten Reaktionen entnehmen kann.

Falls es aber tatsächlich zu sinkenden Provisionssätzen kommen sollte, würde der nächste große Nebenkostenposten ins Blickfeld rücken: die Grunderwerbsteuer. Bis 1998 galt ein bundesweiter Steuersatz von zwei Prozent, danach betrug er 3,5 Prozent. Seit die Bundesländer aber für die Kaufsteuer zuständig sind, haben sie den Satz in einem beispiellosen Erhöhungswettbewerb auf bis zu 6,5 Prozent nach oben gepeitscht. Nur Bayern und Sachsen haben nicht mitgemacht und verlangen noch den zuvor gültigen Satz.

Alle anderen Landesregierungen tragen mit ihrer unverschämten Grunderwerbsteuer-Orgie weiterhin zu einer zunehmenden Spaltung der Gesellschaft in arme und reiche Haushalte bei, in eine Gesellschaft mit und ohne Wohneigentum, siehe oben. Zudem profitiert der Fiskus – neben dem Effekt der günstigen Schuldenaufnahme – auch hier von der EZB-Politik des billigen Geldes, die die Immobilienpreise in die Höhe getrieben hat und ihm auch absolut mehr Geld in die Kassen spült: Die Einnahmen stiegen von 6,4 Milliarden Euro 2011 auf 15,8 Milliarden im Jahr 2019.

Es wird Zeit, die Grunderwerbsteuer zu senken, und zwar am besten wieder auf bundeseinheitliche 3,5 Prozent. Wenn das nicht geht, weil die Bundesländer darauf bestehen, mit dem Geld der Immobilienkäufer ihre Haushalte sanieren zu müssen, könnte man wenigstens hohe Freibeträge für Erstkäufer und Selbstnutzer von Wohnimmobilien gewähren.

Alle anderen – Notare und Ämter – könnten auf Pauschalen verpflichtet werden. In den Niederlanden zahlt man pauschal ein paar Hundert Euro für den Kaufvertrag, unabhängig vom Preis. Und die Vertragsabwicklung ist sogar digital möglich, ohne dass jemand einen Standardtext aus der Schublade vorliest. Es wäre Zeit, dass sich die Bundesregierung an solchen Vorbildern im Ausland orientiert, wenn sie es ernst damit meint, dass möglichst viele Bürger zur Altersvorsorge Wohneigentum bilden sollen.

Quelle: Welt