Sa, 30.05.2020
Häuser werden wegen Corona erst Monate später fertig: Neues Wohnproblem droht

Die Corona-Krise verzögert nach Einschätzung des Immobilienverbands BFW die Genehmigung und Fertigstellung von Bauprojekten stark. Denn die Pandemie stelle die mittelständische Immobilienwirtschaft vor immer größere Probleme.

Das erklärte Andreas Ibel, Präsident des Bundesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen, in Berlin. Die Immobilienunternehmen spielten eine Schlüsselrolle, um die Wirtschaft nach dem Herunterfahren wieder anzukurbeln. „Auch das Problem der Wohnungsknappheit wird sich weiter verschärfen, wenn wir hier nicht gegensteuern“, warnte Ibel.

Konkret gaben in der am Donnerstag veröffentlichten Verbandsumfrage 75 Prozent der befragten Immobilienfirmen an, dass ihr Geschäftsbetrieb durch die Corona-Krise beeinträchtigt werde. Bei Bestandshaltern berichteten fast zwei Drittel (65 Prozent) von Problemen, bei Bauträgern und Projektentwicklern waren es 79 Prozent.

Lieferketten unterbrochen, Baugenehmigungen dauern länger
Die Umfrage wurde vom 29. April bis zum 6. Mai erhoben. Es nahmen 184 Verbandsfirmen des BFW teil. Weitere Ergebnisse im Überblick:

Vier Fünftel der Bauträger monierten, dass Baugenehmigungen, die Schaffung von Planungsrecht und die Bauleitplanung bei Kommunen noch länger dauere als ohnehin üblich.
Beim Betrieb und der Organisation von Baustellen kommt es bei gut einem Fünftel (21 Prozent) zu Schwierigkeiten, etwa da Subunternehmen fernbleiben oder die Sicherheitsmaßnahmen die Arbeit behindern.
Zudem beklagten 38 Prozent der Bauträger verzögerte oder unterbrochene Lieferketten.

Fast zwei Drittel rechnen mit mehrmonatigen Bau-Verzögerungen
Entsprechend pessimistisch bewerteten die Bauträger die Aussichten: Gut 60 Prozent gehen davon aus, dass die Zahl der beantragten Baugenehmigungen dieses Jahr sinkt. Fast drei Viertel rechnen damit, dass sich der Baubeginn bei Projekten um mehrere Monate verschiebt. Für 63 Prozent zeichnet sich ab, dass es auch bei der Fertigstellung zu mehrmonatigen Verzögerungen kommt.

BFW-Verbandschef Ibel mahnte mehr Tempo bei den Kommunen an: Verfahren müssten weiter vereinfacht, beschleunigt und digitalisiert werden, um einen Einbruch beim Neubau abzuwenden, forderte er.

Deutlich weniger Bauaufträge im ersten Corona-Krisenmonat März
Tatsächlich war bereits im März zu beobachten, dass die Corona-Krise die Bautätigkeit in Deutschland beeinträchtigt:

Im ersten Lockdown-Monat sank der Auftragseingang im Bauhauptgewerbe bereinigt um Preiserhöhungen (real) um 10,5 Prozent gegenüber dem Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Montag in Wiesbaden mitteilte.
Im Vergleich zum Vorjahresmonat verringerten sich die Bestellungen (real) um 10,3 Prozent.
Im ersten Quartal sank der Auftragseingang (real) gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 2,9 Prozent.

Solche Rückgänge seien nicht ungewöhnlich. Dennoch deute die Entwicklung darauf hin, „dass Unternehmen geplante Bauvorhaben aufgrund der wirtschaftlichen Unsicherheit in der Corona-Krise zurückgestellt haben“, so die Experten.

Eigentlich wollen Deutsche gerade jetzt in Immobilien investieren
Auch für diejenigen, die daran denken, in ein Eigenheim zu investieren, sind die Probleme der Bauwirtschaft ungünstige Nachrichten. Denn eigentlich gewinnt Wohneigentum gerade wegen der möglichen wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie zusätzlich an Attraktivität, wie eine aktuelle Umfrage im Auftrag der Fortis AG zeigt.

Demnach antworteten 52 Prozent der Befragten auf die Frage, ob der Besitz von Wohneigentum durch die Corona-Krise für sie generell attraktiver werde, mit ‚Ja‘, während 30 Prozent mit ‚Nein‘ antworteten. 42 Prozent der Umfrageteilnehmer erklärten, Wohneigentum sei für sie ein Sicherheitsfaktor in Krisenzeiten, wohingegen nur elf Prozent es als einen Unsicherheitsfaktor in Krisenzeiten bewerten.

Hälfte der Interessenten will Entscheidung verschieben
Die Unsicherheit in Corona-Zeiten ist groß, dennoch sehen 27 Prozent der Befragten im Moment günstige Einstiegschancen und würden gerade jetzt in Wohneigentum investieren. Demgegenüber stehen 51 Prozent, die im Moment eher die Auswirkungen der aktuellen Krise bei einer Entscheidung für oder wider Wohneigentum abwarten würden.

Uneinig sind sich die Befragten in ihrer Einschätzung der Entwicklung der Immobilienpreise: 29 Prozent gaben an, dass die Preise eher zurückgehen werden, während 27 Prozent überzeugt sind, dass die Kaufpreise eher steigen werden, und 24 Prozent, dass sie stagnieren werden.

Turbulenzen lassen kaum Alternativen zu
Für die Zeit nach der Krise hegen die Befragten hingegen positive Erwartungen: 39 Prozent bewerteten die Gelegenheit Wohneigentum zu erwerben, wenn die schlimmsten Auswirkungen der Krise überstanden sind, als eher gut, 21 Prozent als eher schlecht.

„Wohneigentum steht bei den Deutschen durch die Corona-Krise weiterhin hoch im Kurs“, fasst Oliver Koch von Fortis zusammen. Sowohl für Selbstnutzer als auch für Kapitalanleger gewinne Wohneigentum als Altersvorsorge weiter an Bedeutung, gerade durch die wirtschaftliche Unsicherheit, das Niedrigzinsumfeld und die Turbulenzen am Aktienmarkt. Aufgrund eines Mangels an geeigneten Anlagealternativen werde es „gerade im Wohnsegment“ einen erhöhten Investitionsdruck geben.

Quelle: Focus