Mo, 08.11.2021
Die Banken verdienen an der Baufinanzierung jetzt mehr

Die Margen für die Banken in der Baufinanzierung sind gestiegen. Die Institute verdienen nicht trotz der Niedrigzinsen mehr – sondern sogar deretwegen. Was steckt dahinter?

Es ist ein spannendes Ringen. Wer im Augenblick baut, will sich die extrem niedrigen Zinsen für eine möglichst lange Zeit sichern. Zugleich sind die Preise für alles rund um den Bau zuletzt gestiegen wie seit 51 Jahren nicht mehr. Entsprechend werden die Immobilienpreise nun auch noch von dieser Seite hochgetrieben – nachdem Wohnungsnot und Niedrigzinsen sie gerade in den Großstädten schon stark hatten steigen lassen.

Eine Folge des ungebrochenen Ansturms auf Häuser und Wohnungen: Auch das Volumen der Baufinanzierungen in Deutschland legt immer weiter zu. Die besonders auf Banken spezialisierte Unternehmensberatung ZEB berichtet in einer recht umfangreichen Baufinanzierungsstudie, die der F.A.Z. exklusiv vorab vorliegt: Seit 2013 habe das Volumen aller Baufinanzierungen in Deutschland von 1,005 auf 1,326 Billionen Euro zugelegt, also um rund 32 Prozent. Das Neugeschäft der Banken damit sei in derselben Zeit von 169 auf 247 Milliarden Euro im Jahr gestiegen, also um 46 Prozent.

Bemerkenswert dabei: Die Marge der Banken bei den Baufinanzierungen hat im Schnitt spürbar zugenommen – die Institute verdienen besser daran. Und zwar offenbar nicht trotz der Niedrigzinsen – sondern sogar genau deretwegen.
Oftmals heißt es, steigende Zinsen seien gut für Banken und trieben deren Aktienkurse, weil sich bei einem höheren Zinsniveau für Finanzinstitute gleichsam mehr Zinsmarge abzwacken lässt. In der Baufinanzierung scheint es aber auch den gegenteiligen Effekt zu geben. Vor allem seit dem Jahr 2018 hat sich die Marge der Banken im Neugeschäft mit Baukrediten deutlich erhöht, wie die Studie zeigt (siehe Grafik). Aber auch die Bestandsmarge liegt heute im Durchschnitt höher als noch vor acht Jahren.

Ulrich Hoyer, Partner bei ZEB in München, erklärt das so: „Die Kosten der Refinanzierung von Baudarlehen sind für die Banken im Schnitt stärker gesunken als die Zinsen für die Darlehensnehmer.“ Die Banken könnten sich mittlerweile zum Teil schließlich zu negativen Zinsen am Kapitalmarkt refinanzieren – für Kreditnehmer dagegen gibt es in aller Regel keine Baukredite mit Negativzinsen.
Insbesondere bei Anschlussfinanzierungen für Baudarlehen könnten die Banken derzeit wegen des „optischen Eindrucks“ niedrigerer Zinsen bei den Kunden oft höhere Margen durchsetzen als in früheren Jahren, sagt Hoyer: „Wenn jemand bislang 3,5 Prozent für seine Baufinanzierung gezahlt hat und die Anschlussfinanzierung wird ihm für 1,2 Prozent angeboten, dann guckt er vielleicht nicht so genau hin – selbst wenn das, gemessen an den Konditionen anderer Banken, recht viel sein sollte.“ Den Effekt beobachte man nicht nur bei Baudarlehen – auch bei Verbraucherkrediten.

Zugleich haben sich die Banken allerdings damit herumzuschlagen, dass ihre Kunden die Zinsen immer länger festschreiben wollen. Vielen Kreditnehmern wären 30 Jahre am liebsten, sagt Hoyer. In der Praxis sei die durchschnittliche Laufzeit von Baudarlehen von etwa 7,5 bis 8,5 Jahren Zinsbindung vor zehn Jahren auf heute zehn bis 15 Jahre gestiegen.

Aber gerade kleinere Banken und Sparkassen machen sich offenbar Sorgen, dass sie sich zu große Zinsänderungsrisiken ins Haus holen, wenn sie jetzt lauter Baukredite mit 30 Jahren Zinsbindung auf die Bilanz nehmen. Prognosen über die weitere Zinsentwicklung sind schließlich schwer, die Lage ist unübersichtlich. Die Folge: „Die Banken behalten Baudarlehen mit langer Laufzeit oft nicht auf der eigenen Bilanz, sondern reichen sie weiter – weil ihnen das Zinsänderungsrisiko zu groß ist“, berichtet Hoyer. Für Darlehen mit zehn Jahren Laufzeit sicherten viele Banken das Zinsänderungsrisiko mit sogenannten Swap-Geschäften ab.

„Darlehen mit langer Laufzeit reichen beispielsweise die Volks- und Raiffeisenbanken oftmals an Spezialinstitute wie die DZ Hyp oder die Münchener Hypotheken Bank weiter“, sagt der Unternehmensberater. Diese Risiko-Entlastung werde von den Banken zunehmend in Anspruch genommen. Früher seien schließlich 80 bis 85 Prozent der Baudarlehen mit zehn Jahren Laufzeit abgeschlossen worden, außerdem viele sogar nur mit fünf Jahren Laufzeit. „Diese sehr kurzen Laufzeiten sind fast ganz verschwunden“, sagt Hoyer.

Für die Banken hängt dabei viel an der Baufinanzierung. Mit Spareinlagen lässt sich nicht mehr viel verdienen, manche Banken wollen sich große Einlagen sogar ganz vom Hals halten. Das Provisionsgeschäft mit Aktien und Fonds ist je nach Institut recht unterschiedlich. Für viele Banken und Sparkassen sei die Baufinanzierung so etwas wie die „letzte Bastion“, sagt Hoyer. „Auf der Einlagenseite ist für Banken in der Niedrigzinsphase nicht viel zu verdienen – da spielt das Baufinanzierungsgeschäft gerade für regionale Institute oft eine wichtige Rolle.“

Interessantes Zusatzgeschäft

Banken, die in prosperierenden Regionen wie dem Rhein-Main-Gebiet ihren Sitz haben, können von ihrer Nähe zum regionalen Markt profitieren. Aber Onlinebanken und auch Vermittlungsplattformen mischen den Markt auf. „Vermittlungsplattformen haben für das Geschäft mit der Baufinanzierung in Deutschland einen enormen Aufschwung genommen – wir rechnen damit, dass schon in vier Jahren die Baufinanzierungen in Deutschland mehrheitlich über Vermittlungsplattformen vermittelt werden“, sagt Sandra Douqué, Partnerin bei ZEB in Hamburg. Im Augenblick betrage deren Vertriebsanteil am Neugeschäft immerhin schon 45 Prozent – noch 2010 seien es lediglich 12 Prozent gewesen.

„Banken müssen sich in der Baufinanzierung heute klar positionieren, damit sie morgen dieses Geschäftsfeld noch betreiben können“, warnt Douqué. Viele Institute seien in der Baufinanzierung zu konventionell aufgestellt und arbeiteten mit zu vielen Kreditsachbearbeitern und Stempel: „Der Abschluss von Baufinanzierungen dauert in vielen Banken zu lange.“ Darlehensnehmer brauchten heute oft schon zum Besichtigungstermin ein Signal, dass sie von der Bank eine Finanzierung bekämen. Kreditnehmern werde zudem immer noch oftmals das Gefühl gegeben, dass ihnen ein Baudarlehen von der Bank „gewährt“ werde – das sei in Zeiten eines starken Wettbewerbs um den Baufinanzierungskunden nicht angemessen.

Die Unternehmensberaterin meint außerdem, viele Banken schöpften die Möglichkeiten von Zusatzgeschäft nicht aus: „Ein großes Potenzial bieten Dienstleistungen rund um die Baufinanzierung – von der Vermittlung von Handwerkern, über Hilfen für den Umzug bis hin zu Angeboten für die Gestaltung des Hauses.“ Gerade in Zeiten knapper Handwerker könnte dieses Geschäftsfeld für Banken interessant sein – wenn auch vielleicht auf Anhieb etwas ungewohnt.

Quelle: FAZ.NET