Sa, 13.07.2019
Die Angst vor der Immobilienblase 2.0

Gut zehn Jahre nach dem Platzen der US-Immobilienblase warnen Experten vor einer neuen Immobilienblase – nicht nur in den USA. Haben die Notenbanken und Anleger aus der letzten Finanz- und Wirtschaftskrise denn gar nichts gelernt?

2007/2008 platzte in den USA die Immobilienblase. Die Folge war eine globale Finanz- und Wirtschaftskrise, wie sie die Welt seit der Großen Depression nicht gesehen hat.

Doch wie kam es überhaupt dazu? Nun, nicht wenige Experten geben Alan Greenspan eine große Mitschuld. Der damalige Chef der US-Notenbank Fed hatte den Leitzins zwischen 2002 und 2007 viel zu lange auf zu niedrigem Niveau belassen.

Furchtbar viele Fehler
In der Folge verliehen Banken das billige Geld an Hauskäufer, ohne deren Kreditwürdigkeit genau zu prüfen. Zudem lagerten sie das Kreditrisiko über komplexe Finanzkonstrukte wie Collateralized Debt Obligations (CDO) an Dritte aus. Millionen US-Verbraucher nahmen somit Geld auf, das sie nie würden zurückzahlen können.

Zwar kann man Greenspan nicht für die Geschäftspraktiken der Banken verantwortlich machen. Doch seine Zinspolitik hat diese sicherlich befördert.

Er habe „furchtbar viele Fehler“ gemacht, gab sich Greenspan 2010 reumütig. Ein Jahr später bescheinigte ihm ein US-Untersuchungsausschuss zur Finanzkrise „entscheidendes Versagen“.

Willkommen in der Welt der Niedrigzinsen!
Gut zehn Jahre nach dem Platzen der US-Immobilienblase leben wir erneut in einer Welt der Niedrigzinsen. In den USA liegt der Leitzins aktuell bei 2,25 bis 2,5 Prozent, Tendenz wieder fallend. Im Euroraum hält die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins seit Jahren schon auf einem Rekordtief von null Prozent. Sichere Staatsanleihen wie etwa zehnjährige Bundesanleihen notieren im negativen Bereich.

Damit werden Anleger auf der Suche nach Rendite in riskante Anlagen wie Aktien und Immobilien getrieben. Wieder einmal. Die logische Folge: steigende Aktien- und Immobilienpreise. Wieder einmal.

So ziehen etwa im Euro-Raum die Immobilienpreise bereits seit 2014 kräftig an. Die Häuserpreise im Verhältnis zur Jahresmiete – ein wichtiges Erkennungsmerkmal für eine Immobilienblase – notieren schon fast wieder auf ihrem Niveau von 2008.

EZB pumpt Immobilienblase in Europa auf
Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer warnt in einer neuen Studie daher eindrücklich vor einer Immobilienblase in Europa:

»Die extrem expansive Geldpolitik der EZB macht den Erwerb eines Eigenheims für viele erschwinglich und schiebt die Nachfrage an. Gleichzeitig drückt sie die Renditen anderer Geldanlagen und macht damit Immobilien für Investoren attraktiver.«

In Deutschland haben die Preise für Wohnimmobilien seit Ende 2015 bundesweit um 22 Prozent angezogen, wie das statistische Bundesamt Ende Juni mitteilte. Eine überdurchschnittlich starke Preisdynamik hatten mit einem Anstieg von 40,8 Prozent Eigentumswohnungen in den Metropolen.

In Metropolen wie Berlin steigen die Preise besonders stark.

Schlimmer als vor der Finanzkrise
Noch extremer ist die Entwicklung in den USA: Zehn Jahre nach dem Platzen der US-Immobilienblase notieren die Immobilienpreise in den USA über ihrem damaligen Blasen-Hochpunkt, wie ein Blick auf den Case-Shiller-Hauspreisindex verrät.

Häuser kosten in den USA heute bereits mehr als vor dem Platzen der Immobilienblase.

Das ist ein beängstigendes Signal. Vor allem weil der Wind offenbar zu drehen beginnt. In den US-Großstädten, in denen die Häuserpreise zuletzt besonders stark gestiegen waren, zeichnet sich eine Trendwende ab.

Die Preise für Eigentumswohnungen in der San Francisco Bay Area etwa erreichten im April 2018 einen neuen Spitzenwert – 35 Prozent über ihrem Hoch vor dem Platzen der Immobilienblase 2008. Seither sind sie rückläufig.

Wehe, wenn diese Blase platzt
Kein Einzelfall, glaubt man den Oxforder Ökonomen um Adam Slater und John Payne. In einer aktuellen Studie rechnen sie vor, dass die globalen Immobilienpreise zuletzt um zehn Prozent gesunken sind, die Investitionen in Immobilien waren um acht Prozent rückläufig.

Abschwünge auf dem weltweiten Immobilienmarkt hätten in den vergangenen 30 Jahren stets globale Rezessionen getriggert. Vor diesem Hintergrund sei die aktuelle Abwärtsbewegung Grund zur Sorge. Ein kombinierter Rückgang der Immobilienpreise und Immobilieninvestitionen in den großen Volkswirtschaften würde das globale Wirtschaftswachstum im Jahr 2020 auf ein Zehn-Jahres-Tief von 2,2 Prozent fallen lassen, so die Oxforder Experten.

Nur eine Frage des Zeitpunkts
Das klingt dramatisch. Doch stehen wir tatsächlich am Anfang einer neuen globalen Finanz- und Wirtschaftskrise? Platzt jetzt die weltweite Immobilienblase? Es gibt durchaus einige Faktoren, die dagegen sprechen. Der wohl wichtigste ist die Politik der Notenbanken.

Die Zinsen in den USA sind immer noch historisch niedrig – und dürften wieder fallen.

Dem Platzen der US-Immobilienblase 2008 gingen stark steigende Zinsen voraus. Davon kann aber derzeit kaum die Rede sein. Die EZB dürfte auch unter ihrer neuen Chefin Christine Lagarde bis weit in das Jahr 2020 hinein an ihrer Nullzinspolitik festhalten. Für die USA rechnen Ökonomen im weiteren Jahresverlauf wieder mit Zinssenkungen. Die Immobilienblase dürfte sich damit zumindest in den USA und Europa eher weiter aufpumpen als platzen.

Das böse Erwachen kommt bestimmt. Aber es kommt womöglich später, als viele Crash-Propheten es derzeit für möglich halten.

Quelle: boerse.ARD.de