Mo, 31.08.2020
Bis zu 72 Jahresmieten! Neue Immo-Liste zeigt, wo der Hauskauf Irrsinn ist

Wie viele Jahresmieten müssen Hauskäufer für ihr Eigenheim hinblättern? Im bundesweiten Durchschnitt sind es 24. Doch die Unterschiede von Region zu Region sind gewaltig. Wie eine neue Studie offenbart, müssen Hauskäufer in besonders teuren Landkreisen sogar das Dreifache zahlen.

Die Immobilienpreise in Deutschland steigen seit Jahren. Das belegen auch aktuelle Daten des Immobilienfinanzierers Interhyp. Die durchschnittlichen Immobilienpreise inklusive Nebenkosten stiegen in Deutschland allein im ersten Halbjahr 2020 gegenüber dem Vorjahr um gut sieben Prozent, so Jörg Utecht, Vorstandschef des Unternehmens.

Der durchschnittliche Kaufpreis einer über Interhyp finanzierten Immobilie lag danach inklusive Nebenkosten im 1. Halbjahr 2020 bei durchschnittlich 434.000 Euro. Im Jahr 2010 erreichte er durchschnittlich 277.000 Euro. Das ist ein Plus von 56,7 Prozent – innerhalb von nur zehn Jahren.

Immobilien: Das sind die billigsten und teuersten Landkreise

Bundesweit die jeweils 10 Städte/Landkreise mit dem höchsten bzw. niedrigsten Vervielfälter.

Häuser schon in vielen Regionen enorm teuer
Deshalb stellen sich viele Beobachter die Frage: Droht der Markt zu überhitzen? So auch die Postbank in ihrer aktuellen Studie „Wohnatlas 2020“, die das Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI) erarbeitete.

Ein genauer Blick in den Wohnatlas zeigt, dass die Wohnungspreise lediglich in 158 von 401 deutschen Landkreisen und kreisfreien Städten noch vergleichsweise moderat sind. Gerade in den Großstädten fallen sie „aber überdurchschnittlich hoch“ aus, wie die Studie feststellt.

Ein allgemeiner Gradmesser für das Immobilien-Preisniveau ist laut den Studienautoren das Verhältnis von Kauf- zu Mietpreisniveau. Der „Wohnatlas 2020“ untersucht alle deutschen Landkreise und kreisfreien Städte darauf und beantwortete die Frage: „Wie viele durchschnittliche Jahresmieten kostet eine Eigentumswohnung im Schnitt?“

Das Maß für das Verhältnis von Mieten zu Kaufpreisen ist der so genannte Vervielfältiger. Er beschreibt: Wie viele Jahre muss ein Mieter die durchschnittliche Kaltmiete zahlen, um eine Gesamtsumme aufzuwenden, für die er eine Eigentumswohnung kaufen könnte.

Entwickeln sich Mieten und Immobilienpreise im gleichen Takt, bleibt das Verhältnis konstant. Verteuern sich die Preise für Häuser und Wohnungen rapide, steigt das Verhältnis und damit der Vervielfältiger. Das bedeutet: Ein Mieter muss ein noch größeres Mehrfaches seiner Jahresmiete aufwenden, um Immobilieneigentum kaufen zu können.

Große Unterschiede in Deutschland
Insgesamt hat der Vervielfältiger in Deutschland angezogen, wie die Studie ergibt. Im Jahr 2018 lag er bei 22,9, 2019 bereits bei 24,0. Das bedeutet: Im bundesweiten Durchschnitt gibt ein Mieter in 24 Jahren ebenso viel für seine Kaltmiete aus wie der Kauf einer Durchschnittsimmobilie kosten würde. Vor einigen Jahren erreichte der bundesweite Schnitt lediglich 17,5.

Dabei gibt es in Deutschland ein großes Gefälle: München erreichte 2019 einen Wert von 37,2 – die Stadt gilt als besonders hochpreisiger Immobilienstandort. Hamburg kommt auf 36, Frankfurt am Main erreicht 33,5.

Absoluter Spitzenreiter die Urlaubsinsel Sylt im Landkreis Nordfriesland. Dort braucht es im Schnitt 71,9 Jahreskaltmieten, um die Höhe des Kaufpreises zu erreichen.

Wie wirkt sich die Corona-Krise aus?
In die Berechnungen flossen die durchschnittlichen Kauf- und Mietpreise des Jahres 2019 ein. Die Studienautoren erwarten in nächster Zeit keine großen Verschiebungen im Verhältnis der Preise in den kommenden Monaten. Insofern werde die Corona-Krise keine kurzfristigen Auswirken haben.

Der Blick auf die langfristigen Folgen sehe aber anders aus: Dann „könnte es allerdings in wirtschaftlich besonders betroffenen Regionen zu Anpassungen kommen“, so die Postbank. Der Hintergrund einer solchen möglichen Entwicklung: Brechen die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte massiv ein, belastete das die Nachfrage nach Wohnraum.

Die Postbank spricht bewusst in der Möglichkeitsform – denn ob das Szenario so eintritt,ist keineswegs sicher. Das Marktforschungsinstitut Empirica prognostiziert beispielsweise: „Insgesamt erwarten wir langfristig, das ist im besten Falle ab Ende 2021, eine Erholung“ der durch Pandemie stagnierenden Kaufpreise.

Überhitzungstendenzen in den „Big Seven“?
Doch zurück zum „Wohnatlas 2020“. Gerade in den sieben größten deutschen Städten liegen die Vervielfältiger laut der Studie auf einem hohem Niveau. Gemeint sind München, Hamburg, Berlin, Frankfurt am Main, Düsseldorf, Köln und Stuttgart. Im Vergleich zu 2018 stiegen die Bewertungsziffern 2019 weiter. Das deutet auf gewisse Überhitzungstendenzen bei den Preisen hin – von einer direkten „Preisblase“ sprechen die Studienautoren allerdings nicht.

Der Rat der Studienautoren an alle Kaufinteressenten: Sie sollten gerade in den teuren Metropolen jede Investition sorgfältig prüfen. „Wenn die Immobilienpreise das Mietniveau weit überholen, kann das ein Hinweis darauf sein, dass für die Zukunft erwartete Wertgewinne zumindest in Teilen bereits auf die Kaufpreise aufgeschlagen wurden“, sagt Postbank-Expertin Grunwald.

Das bedeutet: Zukünftige Wertzuwächse könnten geringer ausfallen als Immobilieneigentümer das in den vergangenen Jahren gewohnt waren. Bei allen Unwägbarkeiten muss potentiellen Käufern klar sein: Auch bei Grund und Boden gibt es keine garantierten Dauergewinne.

Quelle: Focus Online